„Tatort: Das Wunderkind“: Ist es wirklich so krass im Knast?

„Tatort: Das Wunderkind“: Ist es wirklich so krass im Knast?

Der Münchner „Tatort: Das Wunderkind“ (4.2., 20:15 Uhr, das Erste) spielt über weite Strecken im Gefängnis. Erzählt wird dabei vom knallharten Knast-Alltag – inklusive Mord, Gewalt, Drogen und Sex. Ob es dort wirklich so krass ist, hat spot on news bei Drehbuchautor und Regisseur Thomas Stiller (62) nachgefragt, der für den Krimi viel recherchiert und den Film teilweise in einer echten Justizvollzugsanstalt gedreht hat.

Der neue „Tatort: Das Wunderkind“ spielt über weite Strecken im Gefängnis. Ist es dort wirklich so kriminell und gefährlich wie dargestellt?

Thomas Stiller: Auf jeden Fall. Ich habe schon einmal einen Gefängnisfilm gemacht – „Angst in meinem Kopf“ (2018) mit Claudia Michelsen – und auch damals schon ausführlich recherchiert. Außerdem ist ein guter Freund von mir Gefängnis-Direktor in Oldenburg und dem gebe ich meine Drehbücher immer vorab zum Lesen. Beim „Tatort“ hat er gesagt: „Diese Leute standen eins zu eins genauso vor mir.“ Also, ich würde sagen, das ist sehr realistisch.

Klingt nach einer total unheimlichen Parallelwelt?

Stiller: Ja. In der Gefängnis-Gesellschaft gilt die Macht des Stärkeren – und wer da keine Verbündeten hat, hat ein Problem.

Macht es Sinn, dass es im Gefängnis so viel Kriminalität gibt?

Stiller: Ja, das ist die Frage. Natürlich will das immer keiner so gerne hören, dass es im Gefängnis so viel Kriminalität gibt. Immerhin ist unser System auf Resozialisation angelegt, in den USA geht es nur um Bestrafung und Erniedrigung. Die Menschen kommen dort zehnmal schlimmer raus, als sie reingegangen sind. Wie ein Land mit seinen Straftätern umgeht, ist eine moralische und ethische Frage. Für mich als Geschichtenerzähler ist ein Gefängnis einfach nur ein Ort, an dem die Kommissare mal keine Macht haben und eine andere Taktik fahren müssen. Das fand ich sehr spannend daran.

Der Krimi ist im Landshuter Gefängnis gedreht worden. War das so einfach möglich?

Stiller: Eine Drehgenehmigung bei laufendem Betrieb zu bekommen, war für den Produzenten Hamid Baroua nicht so einfach. Wir hatten aber Glück und konnten vier Tage lang in einem Seitentrakt drehen. Die restlichen Szenen sind in einem leerstehenden Versicherungsgebäude entstanden. Dort konnten wir dank unserer pfiffigen Ausstatterin Myriande Heller alles sehr gut nachbauen.

Wie war es an den vier Drehtagen im Gefängnis?

Stiller: Es war interessant und spannend. Den Film mit Claudia Michelsen habe ich damals sogar komplett im Gefängnis gedreht. Furchteinflößend waren beide Drehs für mich nicht, weil man ja nicht wirklich Kontakt zu den Häftlingen hat. Da wird schon gut auf die Sicherheit geachtet. Beim „Tatort“ hatten wir etwa ganz streng getaktete Zeiten, in denen wir schnell auf dem Gefängnishof drehen mussten, weil die Insassen dort dann wieder ihre Sporteinheit hatten.

Haben Sie von den Gefangenen gar nichts mitbekommen?

Stiller: Doch, ein bisschen schon. Aber sie waren alle relativ freundlich und haben nicht etwa herumkrakeelt – sonst hätten wir alles nachsynchronisieren müssen.

Sind Sie zum Arbeiten dann auch eingeschlossen worden?

Stiller: Ja. Alle Personen und alles, was wir mit reingenommen haben, wurde immer sorgfältig geprüft und abgezählt. Wir waren auch immer in Begleitung von Gefängnismitarbeitern, weil natürlich die Gefahr von Übergriffen schon besteht. In dem Zusammenhang finde ich es übrigens bemerkenswert, dass die Justizvollzugsbeamten ihre ganze Arbeitszeit hindurch genauso eingesperrt sind wie die Gefangenen. Das ist das bisschen Seltsame an diesem Job. Sie schlafen zwar in ihrem eigenen Bett, am nächsten Tag sind sie aber auch wieder im Gefängnis.

(ili/spot)

Bild: „Tatort: Das Wunderkind“ mit Miroslav Nemec (l.) als Kriminalhauptkommissar Ivo Batic und Felix Hellmann als Gefängniswärter Stefan Claussen wurde in einem echten Gefängnis gedreht. / Quelle: BR/Sappralot Productions GmbH/Hendrik Heiden

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