Die streitbare Feministin und „Emma“-Verlegerin Alice Schwarzer feiert am 3. Dezember ihren 80. Geburtstag. Aus diesem Anlass zeigt das Erste am heutigen Mittwoch (30.11., 20:15 Uhr) den sehenswerten zweiteiligen Fernsehfilm „Alice“ mit Nina Gummich (31, „Charité“) in der Titelrolle.
Der Zweiteiler erzählt vom Leben der in Wuppertal geborenen Alice Schwarzer, die Journalistin werden will, in den 1960er Jahren nach Paris zieht und dort lange mit ihrer ersten großen Liebe Bruno Pietzsch (gespielt von Thomas Guenè) zusammenlebt. Sie engagiert sich in den 1970er Jahren in der französischen Frauenbewegung für Gleichberechtigung – insbesondere gegen die geltenden Abtreibungsgesetze – und arbeitet dabei auch mit den Karikaturisten der französischen Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ zusammen. Im zweiten Teil (ab 21:45 Uhr) wird Schwarzer durch einen Fernsehauftritt mit der deutsch-argentinischen Antifeministin Esther Vilar (87, gespielt von Katharina Schüttler, 43) berühmt – und zu einer der am stärksten polarisierenden Persönlichkeiten in Deutschland. Ihre Gegner ziehen alle Register, aber sie macht weiter, feiert Erfolge als feministische Bestseller-Autorin und gründet schließlich die Zeitschrift „Emma“, in der sie Aktivismus und Journalismus vereinen kann…
Dass für die Rolle nicht irgendeine Schauspielerin gesucht wurde, war Schauspielerin Nina Gummich bei der Einladung zum Casting klar, wie sie im Interview mit spot on news erzählt, und so zog sie alle Register.
Sie spielen die Hauptrolle der Alice Schwarzer im TV-Biopic „Alice“. Wie haben Sie diese Rolle bekommen?
Nina Gummich: Es war nicht ganz einfach. Ich hatte eigentlich keine Zeit, um mich vorzubereiten, weil ich, als der Anruf wegen des Castings kam, im Urlaub war und mit vielen Freunden ein Haus gemietet hatte und mit ihnen auch zusammen sein wollte. Einen Tag nach dem Rückflug sollte das Casting sein. Das ist nun aber keine Rolle, bei der man sagt: Ich lerne den Text, ziehe mir eine gute Hose an und dann habe ich das Ding. Mir war schon klar, dass sie die eine Schauspielerin suchen, die optisch und von der Sprache her sofort überzeugt.
Und so habe ich noch vom Urlaubsort aus angefangen, mein gesamtes Netzwerk anzufragen. Die Maskenbildnerin habe ich gebeten, mir gleich nach der Landung die Haare zu schneiden. Das haben wir dann auch noch in der Nacht gemacht. Die Kostümbildnerin habe ich gefragt, ob sie mir ein passendes Kostüm aussuchen kann. Auch das hat geklappt. Ich war wirklich baff und dankbar, wie viele Leute ich um mich habe, die bedingungslos bereit sind, mir zu helfen und sich da so spontan mit eingebracht haben.
Wie lief dann Ihr erster Auftritt vor dem Auswahlgremium, zu dem auch Alice Schwarzer persönlich zählte?
Gummich: Alice Schwarzer hatte das Mitspracherecht bei drei Rollen. Einmal natürlich bei der Hauptfigur, dann bezüglich ihrer großen Liebe Bruno im ersten Teil, mit dem sie zehn Jahre zusammen war und auch in Paris lebte. Und bei der Rolle der Ursula, ihrer ersten Freundin, mit der sie in Teil zwei zusammen sein wird. Alice Schwarzers Bedingung war, dass sie vor allem für ihre Person nicht irgendeine Schauspielerin vorgesetzt bekommt, die sie dann nur noch abnicken darf. Sie wollte mindestens drei Frauen sehen und sich mit ihnen auch privat treffen.
Ich kam dann noch ein zweites Mal zum Vorsprechen, hatte sechs Seiten Französisch gelernt, weil ich auch sehr viel Französisch reden muss in dem Film. Danach rief Alice Schwarzer offenbar sofort die Redakteurin an und teilte ihr mit, dass sie nicht bereit sei, noch eine andere Schauspielerin zu casten. Ich wusste davon zu dem Zeitpunkt nichts. Nach ein paar Wochen war dann endlich klar, dass ich die Rolle spielen würde.
Wie haben Sie denn diese Wartezeit überbrückt, in der Sie nicht wussten, ob Sie sich jetzt freuen dürfen oder nicht? Wie haben Sie sich abgelenkt?
Gummich: Beim ersten persönlichen Treffen mit Alice Schwarzer hat sie mir einen Stapel Bücher mitgegeben, den ich lesen sollte, um sie zu verstehen. Da war aber noch nicht klar, dass ich die Rolle bekomme. Und so hatte ich die Wahl zwischen Bücherstapel ignorieren, um mich zu schützen, oder dem Impuls nachgeben, weil ich mich einfach damit beschäftigen wollte. Ich habe mich dafür entschieden, mich einzulesen, auch wenn ich dann eventuell vier Wochen umsonst investiert hätte.
Wie lief dieses persönliche Treffen ab?
Gummich: Drei Tage nach dem ersten Casting kam eine E-Mail, in der nur stand, dass Alice Schwarzer mich gern zum Abendessen treffen möchte. Ich wusste nicht, was das jetzt heißt, ob sie sich für mich entschieden haben oder mich einfach nur testen wollen. Ich bin dann nach Köln gefahren, um sie in ihrem Turm zu treffen, und war so aufgeregt wie vor keinem Date in meinem Leben bisher.
Waren Sie zurecht so aufgeregt, wie war die Begrüßung von Alice Schwarzer?
Gummich: Alice und die Redakteurin waren hinter der Glasscheibe in ihrem Büro über einen Paris-Plan gebeugt und haben etwas für die Dreharbeiten besprochen. Die „Emma“-Mitarbeiterinnen haben mich in Empfang genommen und waren überraschenderweise auch aufgeregt, weil aus ihrer Perspektive ja eine bekannte Schauspielerin hereinkam. Das war mir bis zu dem Zeitpunkt nicht bewusst. Wir haben uns alle sofort gut verstanden.
Und dann kam Alice aus ihrem Büro und hat gesagt: „Das ist Nina Gummich, meine Hauptdarstellerin – hoffe ich zumindest. Ich rede jetzt gar nicht um den heißen Brei herum: Ich habe mir Tausende angeguckt, Sie haben mir am besten gefallen. Und jetzt stelle ich gleich mal die unbequeme Frage zuerst: Warum wollen Sie das machen?“ Ich war auf die Frage natürlich vorbereitet – und offenbar war es auch die richtige Antwort. Sie hat dann gesagt: „Sie haben mein Wesen erkannt.“ Das hat mich sehr berührt.
Warum hat Sie das so berührt?
Gummich: Weil das noch mal etwas anderes ist, als jemanden einfach nur nachzuahmen. Das Ziel bei so einer Rolle ist natürlich, dass alles, was ich äußerlich erst mal beobachte – wie spricht sie, wie lacht sie, wie streicht sie den Pony zur Seite – benutze, um das Wesen desjenigen zu verstehen, damit ich es von innen heraus spielen kann und es keine nachgemachte Hülle bleibt. Wenn sich jemand in seinem Wesen erkannt fühlt, dann ist das etwas sehr Schönes und Besonderes. Und das Gefühl hatte ich eben auch, dass ich Zugang zu ihrem Wesen habe und es schaffe, das zu verkörpern.
Alice Schwarzer stammt aus dem Ruhrgebiet, Sie sind in Leipzig geboren. Was ist denn typisch sächsisch an Ihnen? Und welche Rolle spielte das für den Zweiteiler?
Gummich: Typisch sächsisch an mir ist, dass ich immer aufpassen muss, dass mein Dialekt nicht durchscheint. Und jedes Mal, wenn ich für die Krimireihe „Theresa Wolff“ in Jena, Thüringen, drehe, denke ich: Ach wie schön, jetzt kannst du lockerlassen und einfach so reden, wie du redest. Und bei „Alice“ war es natürlich eine besonders große Aufgabe, das nicht durchscheinen zu lassen und alles eher in Richtung Wuppertal zu lenken.