Lina Larissa Strahl: „Wir müssen über Ausgrenzung sprechen“

Lina Larissa Strahl: „Wir müssen über Ausgrenzung sprechen“

Mit 15 Jahren gelang Lina Larissa Strahl (26) als Bibi Blocksberg der große Durchbruch. Bis 2017 spielte sie viermal die beliebte Hexe in den „Bibi & Tina“-Verfilmungen. Bei ihrer Teilnahme an der RTL-Show „Let’s Dance“ zeigte die 26-Jährige in diesem Jahr eine ganz neue Seite von sich und sprach offen über ihre Angststörungen und Panikattacken. Das Thema mentale Gesundheit steht auch in ihrem Podcast „Fühl ich“ im Fokus.

Für viele Jugendliche ist sie ein großes Vorbild, rund 850.000 Fans folgen ihr allein auf Instagram. Eine Reichweite, die Strahl auch für wichtige Themen nutzen will. Aktuell unterstützt sie eine Studie der Aktion Mensch. Das „Inklusionsbarometer Jugend“ untersucht die gesellschaftliche Teilhabe von jungen Menschen mit und ohne Beeinträchtigung im Alter von 14 bis 27 Jahren – der sogenannten Generation Z. Für die Schauspielerin ist es eine Herzensangelegenheit, sich für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung einzusetzen, wie sie im Interview erzählt.

Warum ist es Ihnen so wichtig, auf das „Inklusionsbarometer Jugend“ der Aktion Mensch aufmerksam zu machen?

Lina Larissa Strahl: Ich bin 26 Jahre und damit in einem ähnlichen Alter. Die Lebenswirklichkeit bzw. die Herausforderungen und Schwierigkeiten, die im Rahmen der Aktion-Mensch-Studie abgefragt wurden, betreffen mich also ganz direkt. Und mich für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung einzusetzen, ist mir schon lange eine Herzensangelegenheit.

Laut der Studie haben über sechs von zehn jungen Menschen bereits Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht – vor allem die jungen Menschen mit Beeinträchtigung. Haben Sie auch schon so etwas erleben müssen?

Strahl: Meine Erfahrungen mit Diskriminierung beziehen sich auf Erlebnisse, bei denen ich aufgrund meines Geschlechts ungerecht behandelt, kritisiert oder benachteiligt wurde. Ich finde es sehr besorgniserregend, dass Jugendliche mit Beeinträchtigung besonders von Diskriminierung betroffen sind, und es sollte uns allen ein Anliegen sein, die Generation Z so zu unterstützen, dass Inklusion ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft ist.

Sie erklärten einmal, sich „als Teenie oft als komische Außenseiterin gefühlt“ zu haben. Warum war das so?

Strahl: Ich denke, dass ich schon als Kind und Jugendliche viel mit meinen Gedanken beschäftigt war. Dadurch wirkte ich in gewissen Situationen etwas abwesend, zumal ich tatsächlich auch Schwierigkeiten hatte, mich zu fokussieren. Manchmal hatte ich dadurch das Gefühl, dass ich nicht ganz in die Welt von den anderen passe. Mir fiel auf, dass ich manche Alltagssituationen auch ganz anders wahrnahm als meine Freundinnen – intensiver, manchmal bedrohlicher.

Bei Ihrer „Let’s Dance“-Teilnahme in diesem Jahr sprachen Sie offen über Ihre Angststörungen. Wie schwer ist Ihnen dieser Schritt gefallen und wie geht es Ihnen heute gesundheitlich?

Strahl: Durch gute Vorbereitung und viele Gespräche vorab, fühlte ich mich gut aufgestellt, um mit so einem Thema an die Öffentlichkeit zu gehen. Gerade auch in Bezug auf meinen Podcast „Fühl ich“ war es mir wichtig, so ehrlich wie möglich zu sein und den Zuhörerinnen und Zuhörern, oder den Menschen vor dem Fernseher auch einen Einblick in meine eigene Reise der mentalen Gesundheit geben zu können. Ich denke, ich habe mir in der letzten Zeit ein Umfeld geschaffen, in dem meine Arbeit mich wieder sehr erfüllt und mit dem ich sowohl beruflich als auch privat verschiedene Ziele und Wünsche angehen kann. Das tut mir sehr gut. Gute Freundinnen und Freunde an seiner Seite zu haben, hilft dabei, zu wachsen und neue Herausforderungen anzunehmen.

Welchen Rat können Sie jungen Menschen geben, die mit Problemen wie Ängsten oder Einsamkeit zu kämpfen haben oder sich ausgrenzt fühlen?

Strahl: Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, sich Hilfe zu holen, wenn man das Gefühl hat, man kommt allein nicht weiter. Unterstützung von außen kann eine sehr große Hilfe sein, und es ist nichts, wofür man sich auch nur ansatzweise schämen muss. Ich merke selbst immer wieder, wie befreiend es ist, über die Dinge, die einen beschäftigen, zu sprechen und seine Sorgen mitteilen zu können. Durch die Gespräche mit Freundinnen und Freunden, Familie oder auch Psychologen oder Psychologinnen, werden einem neue Perspektiven aufgezeigt und man kann seinen Gedankenspiralen eventuell etwas leichter entkommen. Auch beim Thema Ausgrenzung finde ich, ist es wichtig, darüber zu reden und sich von anderen unterstützen zu lassen. Und auch dass es solche Projekte wie die aktuelle Studie der Aktion Mensch gibt, sodass darüber gesprochen wird und Probleme aufgezeigt werden, Menschen sich angenommen und weniger allein fühlen.

Was glauben Sie, was sind die größten Herausforderungen, denen sich die Gen Z stellen muss?

Strahl: Die Gen Z hat definitiv ein paar größere Herausforderungen zu bewältigen. Viele junge Menschen fühlen sich abgehängt und ihnen fehlen die Chancen, ihre Zukunftsträume zu verwirklichen. Oft macht es mir auch Angst, wenn ich sehe, woher viele Gleichaltrige ihre Informationen beziehen, wenn es zum Beispiel um weltpolitische oder gesellschaftliche Themen geht. Wir sind sehr auf Social Media fokussiert und vergessen teilweise, dass es noch eine Welt außerhalb von Instagram und TikTok gibt. Ich denke, dass wir uns hier und da wachrütteln und uns auch mit unserem sozialen Engagement mehr auf die Realität konzentrieren sollten. Es ist so einfach, online schnell ein paar Slides und Bilder zu teilen, die Mitgefühl für andere ausdrücken oder vermeintliche Unterstützung bekunden. Dabei wäre es in meinen Augen so wichtig, in echte Diskussionen und Gespräche zu gehen. Den Menschen, denen man begegnet, zuzuhören und gemeinsam zu versuchen, eine Gegenwart zu schaffen, in der es ein solidarisches, achtsames Miteinander gibt. Wir müssen über Ausgrenzung sprechen und es darf kein Tabu sein.

Welche gesellschaftliche Unterstützung benötigt die Gen Z, um mit diesen Herausforderungen gut zurechtzukommen?

Strahl: Ich glaube, dass in vielerlei Hinsicht natürlich strukturell die Voraussetzungen stimmen müssen, damit Veränderungen geschehen können. Das betrifft Politik, unsere Gesellschaft und alles, was damit einhergeht. Allerdings sind wir als junge Generation auch selbst am Zug und die Zukunft liegt zu großen Teilen in unseren Händen. Ich denke, dass es auch wichtig ist, dass die verschiedenen Generationen miteinander kommunizieren, man seine Erfahrungen teilt und damit auch seine Learnings. Auch das Internet und die enorme soziale Interaktion, die wir damit erlangt haben, könnte zu so viel Positivem beisteuern. Ich denke, es könnte eine echte Chance sein, diese Vorteile zu nutzen und damit eine Entwicklung anzustoßen, die unsere Gesellschaft nachhaltig bereichert.

Die Aktion Mensch setzt sich mit der Kampagne #VielVor für eine inklusive Welt ein, in der alle, die viel vorhaben, auch viel erreichen können. Was glauben Sie, kann jede einzelne Person tun, um diese Vision voranzutreiben?

Strahl: Eine inklusive und gleichberechtigte Welt zu schaffen, sollte unserer Gesellschaft ein Anliegen sein und damit auch für uns alle als einzelne Personen. Man denkt immer, als Individuum könnte man nicht so viel erreichen, allerdings glaube ich, dass wir immer auch bei uns selbst anfangen können. Was ist mein Zutun für eine inklusive Welt, was kann ich ermöglichen, wie kann ich unterstützen und mich weiterbilden? Wo habe ich noch Wissenslücken und wo kann ich aufklären und mein eigenes Wissen und Gedanken teilen, um Fortschritt anzuregen?

Viele junge Menschen sehen zu Ihnen auf. Was versuchen sie jungen Menschen als Vorbild mitzugeben?

Strahl: Wir sind alle auf unsere eigene Art und Weise einzigartig, und wir können kein Abziehbild von jemand anderem, vermeintlich perfekterem sein – das ist gut so. Ich hatte eine Phase während der vergangenen Jahre, in der ich mich selbst sehr eingeschränkt und durchweg kritisiert habe, da ich dachte, ich würde weder meinen eigenen noch den Erwartungen anderer gerecht werden. An der Stelle ein wenig loszulassen und mit meinen Freundinnen und Freunden über diese Gedanken zu sprechen, hat sehr geholfen.

Gab es eine Zeit in Ihrem Leben, in der Ihnen ein Vorbild geholfen hat? Wie hat diese Person Sie inspiriert?

Strahl: Früher, als ich kleiner war, hatte ich definitiv klassische Vorbilder aus dem Film- und Musikbereich. Ich habe mir immer meine Personen (meistens Frauen) herausgepickt, in denen ich eine Art Idol gesehen hatte und bei denen ich dachte „Ich würde gerne mal so sein wie Jennifer Lawrence oder Miley Cyrus“. Beides starke Frauen, die sich nicht so viel sagen lassen, was ich immer noch sehr beeindruckend finde. Momentan suche ich meine Inspirationen eher in Personen, die mir nahestehen. Ich finde meine Freundinnen und Freunde bemerkenswert und bin sehr froh, mehrere Vorbilder zu haben, die mir am Herzen liegen.

Gibt es ein Projekt oder einen Traum, das oder den Sie unbedingt verwirklichen möchten?

Strahl: Ich habe schon seit Längerem den Traum, irgendwann mal so etwas wie einen Gnadenhof zu besitzen, um dort Tieren eine Chance geben zu können, die sie sonst nicht kriegen würden. Tiere sind wunderbare Wesen und sie bereichern unsere Welt sehr. Ich finde es schade, wie in vielerlei Hinsicht mit ihnen umgegangen wird und wie die Lage beispielweise für Tiere in der Fleisch- und Milchindustrie unerträglich bleibt.

(obr/spot)

Bild: Lina Larissa Strahl wurde im Alter von 15 Jahren entdeckt. / Quelle: Marvin Contessi

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