Seit bald 30 Jahren gehört Atze Schröder (59) zu den erfolgreichsten Comedians in Deutschland. Seit einiger Zeit zeigt er auch seine nachdenkliche Seite. Sein emotionaler Auftritt in der Talkshow von Markus Lanz (55) vor rund vier Jahren, bei dem er sich bei einer Holocaust-Überlebenden entschuldigt hat, gab unter anderem den Anstoß. Der Comedian habe anschließend überlegt, dass es vielleicht noch mehr gibt, „außer dieser reinen Comedywelt, zu der ich etwas sagen kann“, erklärt er während seines Besuchs eines von der Aktion Mensch geförderten Inklusionsbetriebs.
Dazu gehört auch sein gemeinsamer Podcast „Betreutes Fühlen“ mit dem Psychologen Leon Windscheid, in dem tiefgreifende psychologische Themen verständlich und unterhaltsam aufbereitet werden. Über sein Engagement, aber auch über seine Zukunft auf Deutschlands Comedybühnen anlässlich seines 30-jährigen Jubiläums spricht er im Interview.
Sie haben gerade das von der Aktion Mensch geförderte Wälderhaus in Hamburg besucht – ein Inklusionsbetrieb mit Hotel, Restaurant, Ausstellung und Tagungsräumen. Wie war Ihr Eindruck?
Atze Schröder: Also der erste Eindruck, wenn man von draußen kommt, ist ja schon mal diese schöne Fassade aus Lärchenholz und die ungewöhnliche Architektur. Und drinnen setzt sich das fort mit den Themen Wald und Holz – die Waldausstellung ist sehr beeindruckend. Aber hier herrscht generell eine ganz besondere Atmosphäre – vor allem, weil hier Menschen mit und ohne Behinderung im Team auf Augenhöhe zusammenarbeiten und die Besucher so freundlich empfangen.
Haben Sie selbst Berührungspunkte mit Menschen mit Behinderung?
Schröder: Ja, auch in meiner Familie gibt es Menschen mit Beeinträchtigung. Wir haben da keine Berührungsängste und es gibt da keine Hemmung oder Verkrampfung.
Wie steht es aus Ihrer Sicht um Inklusion in der Unterhaltungsbranche?
Schröder: Es bewegt sich was, das muss man schon sagen, ganz klar. Man hat jetzt auch die ersten Stand-upper, wenn ich jetzt mal bei meiner klassischen Stand-up-Szene bleibe, die ihre eigene Behinderung thematisieren. Mir fällt da Karl Josef ein, der im Rollstuhl sitzt, und aufgrund seiner Erlebniswelt einen ganz bestimmten Witz entwickelt hat, der auch dadurch eine gewisse Fallhöhe kriegt. Oder Tony Bauer, der eine chronische Erkrankung hat, und sich als Identifikationsfigur versteht. Er kommt aus dem Ruhrgebiet und hat so einen typischen, sehr handfesten Humor, das finde ich toll.
Nächstes Jahr stehen bei Ihnen gleich zwei Jubiläen an. Sie werden 60 und feiern Ihr 30-jähriges Bühnenjubiläum. Haben Sie schon etwas Besonderes geplant?
Schröder (lacht): Ich hätte jetzt beinahe gesagt für meine Beerdigung. Nein, ich werde das einfach ignorieren. Ich wurde jetzt mehrfach schon gefragt, weil das ja so ein typisches Alter ist, in dem man sich mit dem Ruhestand auseinandersetzt. Ich mache jetzt erstmal weiter bis 85 und dann werde ich wahrscheinlich das Pensum erhöhen.
Sie widmen sich auch immer mehr ernsteren Themen. Zum Beispiel haben Sie den Podcast „Betreutes Fühlen“ zusammen mit dem Psychologen Dr. Leon Windscheid. Wie ist es zu diesem Wandel gekommen?
Schröder: Es gab mehrere Ereignisse. Einmal gab es eben dieses Zusammentreffen mit Leon, der in derselben Agentur ist wie ich. Eine Mitarbeiterin kam auf die Idee, uns zusammenzubringen, weil sie gedacht hat, da sind zwei dermaßen verschiedene Welten, da muss eine gewisse Spannung entstehen. Und dann waren Leon und ich zusammen frühstücken und hatten erstmal gegenseitig, glaube ich, nicht so die beste Meinung voneinander. Aber daraus ist jetzt so eine echt liebevolle Freundschaft entstanden.
Für Schlagzeilen sorgte in den vergangenen Jahren auch Ihre Familiengeschichte, die Sie unter anderem in Ihrer Autobiografie „Blauäugig“ thematisiert haben.
Schröder: Bei meinem ersten Podcast-Auftritt hat mich Matze Hielscher dazu gebracht, mehr zu erzählen als ich eigentlich wollte. Und da gab es so viel positives Echo darauf. Und schon zwei Wochen später war ich bei Markus Lanz in der Sendung, wo ich auf Eva Szepesi getroffen bin, die als 15-Jährige in Auschwitz war und den Holocaust überlebt hat. Ihre Tochter ist ungefähr so in meinem Alter und wir saßen bei Lanz nebeneinander und ich dachte, jetzt sitzen hier das Opferkind neben dem Täterkind. Denn mein Vater war als deutscher Wehrmachtsangehöriger eben im weitesten Sinne Täter. Dann gab es diese berühmte Szene, wo ich vor Eva Szepesi gekniet habe, ohne dass ich das geplant hatte, und mich entschuldigt habe.
Für Sie ein ganz besonderer Moment?
Schröder: Ja, weil ich es erstens nicht geplant hatte und zweitens hat sie meine Hand genommen und mir ins Ohr geflüstert: „Das bedeutet mir sehr viel.“ Daraufhin gab es ein ganz großes Echo. Teilweise haben Zeitungen in Israel auch darüber geschrieben. Und dann habe ich gedacht, vielleicht gibt es ja noch mehr außer dieser reinen Comedywelt, zu der ich etwas sagen kann. Ich hatte bis dato immer gedacht, meine Gedanken dazu seien völlig uninteressant. Und so ist das dann entstanden.
Was haben Sie denn noch für Pläne für die Zukunft?
Schröder: Ich habe ja eben schon gesagt, dass ich noch mindestens 25 Jahre weiter mache. Es passiert so viel drumherum, wovon ich mich inspirieren lasse. Ich bin ja gerade erst mit dem Programm „Der Erlöser“ unterwegs, aber ich sammele jetzt immer schon für die nächsten Programme, die noch kommen werden.
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Bild: Atze Schröder gehört seit Jahrzehnten zu den erfolgreichsten Comedians in Deutschland. / Quelle: Boris Breuer