Neun Menschen, die meisten von ihnen Teenager, verloren bei einem „rassistischen Attentat“ – so die neue Denkmal-Inschrift – am 22. Juli 2016 am Olympiaeinkaufszentrum (OEZ) in München ihr Leben. Ein 18-jähriger Deutsch-Iraner, der in der bayerischen Landeshauptstadt geboren wurde, richtete sich nach seiner unfassbaren Tat selbst. Die schockierenden Hintergründe, Motive und neuen Erkenntnisse, die aus dem lange Zeit als „Amoklauf eines Mobbingopfers“ dargestellten Drama ein „rechtsterroristisches Attentat“ machen, zeichnet nun die Doku „22. Juli – Die Schüsse von München“ nach.
Verschiedene Perspektiven rekonstruieren umfassendes Bild zur Tat
Die vierteilige Sky Original True-Crime Dokumentation beleuchtet die Panik in der Stadt (Folge 1), den Täter (Folge 2), die Tat (Folge 3) und das Terror-Netzwerk (Folge 4) aus verschiedenen Perspektiven. Zu Wort kommen unter anderem Experten von Polizei, Forensik und Medizin, Ersthelfer, Psychologen, Politiker, Extremismusforscher, Investigativjournalisten und verdeckte Ermittler des Zollfahndungsamtes. Aber auch Anwälte sowie der Vater des mit nur 19 Jahren bei dem Attentat getöteten Guiliano und ein Augenzeuge.
Sie alle tragen spannende Fakten und Analysen zur Rekonstruktion der grausamen Tat bei. Diese unzähligen Puzzle-Stücke, darunter auch Mails und Chat-Verläufe des Täters, die in den Jahren nach dem Attentat recherchiert wurden, setzt Regisseur und Autor Johannes Preuss zu einem umfassenden Bild der Tat zusammen. „Es geht nicht um Schuld oder Nicht-Schuld, sondern um Aufarbeitung von Dingen – und lernen für die Zukunft“, erklärt Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter, warum die akribische Analyse so wichtig ist.
„Wenn eine Dokumentation erschreckend aktuell ist, dann zeigt dies einmal mehr, wie wichtig es ist, immer wieder hinter die Kulissen einer Tat zu schauen, damit das bloße Erschrecken einem Wissen weicht“, sagt Jochen M. Köstler, Produzent und Geschäftsführer Constantin Dokumentation, über den Vierteiler. Und er fährt fort: „Unwissen ist eine Gefahr, die man bekämpfen kann. Diese Dokumentation provoziert ein Hinschauen im besten Sinne. Ein Hinschauen, das ein Wegschauen vielleicht ein bisschen weniger möglich macht.“
Panik in der Millionenmetropole München
Tatsächlich steckt „22. Juli – Die Schüsse von München“ voller wissenswerter Details und Erkenntnissen. Denn natürlich erinnern sich sicher viele Menschen daran, wie groß die Panik und diffuse Terrorangst in der Millionenmetropole war, als noch nicht klar war, dass ein einzelner junger Mann um sich schießt. Kurz nach 18 Uhr verbreiteten sich die ersten Kurznachrichten via Social Media. Wenige Monate und Wochen zuvor hatten die Terrorakte in Paris und Nizza die Welt erschüttert und sich ins kollektive Gedächtnis gebrannt und so kursierten schnell viele Gerüchte, die von Videos untermauert wurden, die beispielsweise Flüchtende aus dem Hofbräuhaus zeigten.
Insgesamt gingen laut Polizei Notrufe und Hinweise auf 73 Tatorte ein. Lange war von mehreren Tätern die Rede. Sondereinsatzkommandos durchsuchten Geschäfte. Die Menschen sollten die Häuser und Wohnungen nicht verlassen, die Bahnen wurden gestoppt, etwa 2.300 Beamte waren im Einsatz. „Fake, Irrungen, falsche Wahrnehmungen“, wie sich später herausstellen sollte. Erst weit nach Mitternacht gab die Polizei Entwarnung.
Gab es Mitwisser, Mittäter, Anstifter? – Das Terror-Netzwerk
Immer wieder geht es in der Doku auch um die Frage nach Mitwissern, Mittätern und Anstiftern. Was wusste beispielsweise der Mann, der dem Täter die Tatwaffe verkauft hat? Die Doku zeigt aber auch Verflechtungen des Attentäters mit einem internationalen Terror-Netzwerk auf. Es geht um „Idole“ wie den norwegischen Massenmörder Anders Breivik, der ebenfalls an einem 22. Juli (2011) 77 größtenteils junge Menschen tötete.
Und es geht um „Nachahmer“. Spuren führen in die USA zum Amoklauf an der Columbine High School (1999) oder dem an der Aztec High School (2017). Es werden Parallelen zum Anschlag in Halle und dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (beide 2019) sowie Verbindungen zur Flüchtlingskrise 2015 gezogen.
Mobbing, „Matrix“ und eine verschmähte Liebe
Doch es werden auch die ganz persönlichen möglichen Motive und Auslöser beim Münchner Täter thematisiert. Von Mobbing und schlimmen Demütigungen, psychischer Krankheit, einer zurückgewiesenen Liebe, seiner Faszination für Gaming und den Film „Matrix“ ist die Rede.
Nach der Neubewertung des Anschlags am Olympiaeinkaufszentrum als rechte Gewalttat wurde die Inschrift des Denkmals im Herbst 2020 geändert. Aus den „Opfern des Amoklaufs“ wurde „In Erinnerung an alle Opfer des rassistischen Attentats vom 22.7.2016“.
Die Produktion von Constantin Dokumentation in Kooperation mit der Süddeutschen Zeitung im Auftrag von Sky ist ab 21. Juli exklusiv auf Sky Crime sowie auf Abruf via Sky Q und Sky Go zu sehen.