„Das war wirklich schlimm“: Henning Baum über Armut auf Mallorca

„Das war wirklich schlimm“: Henning Baum über Armut auf Mallorca

Mallorca gehört zu den beliebtesten Urlaubszielen der Deutschen. In der neuen Dramaserie „Der König von Palma“ (ab dem 24. Februar bei RTL+) wird die Sonneninsel aus einem neuen Blickwinkel betrachtet. Denn nicht alles ist Gold, was glänzt – auch auf Mallorca gibt es Schattenseiten. Im Mittelpunkt der sechsteiligen Serie steht Familienvater Matthias „Matti“ Adler, der Anfang der 1990er Jahre versucht, auf der Baleareninsel Fuß zu fassen. Zusammen mit seiner Frau eröffnet er einen Biergarten und muss immer mehr Grenzen überschreiten, um erfolgreich zu sein.

Verkörpert wird der optimistische Auswanderer von Henning Baum (49). Im Gegensatz zu vielen anderen Deutschen hatte der Schauspieler vor den Dreharbeiten nur wenig Berührungspunkte mit der Insel. Erst jetzt habe er erkannt, „wie viel Reiz Mallorca hat“. Doch die Corona-Pandemie hat Spuren hinterlassen, wie Baum im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news schildert. Zudem verrät der 49-Jährige, warum ihn die Einheimischen ausgelacht haben, er die Zeit am Strand nicht genossen hat und wie er zum deutschen Schlager steht.

In der neuen Serie „Der König von Palma“ schlüpfen Sie in die Hauptrolle. Was hat Sie am Drehbuch gereizt? Warum wollten Sie die Rolle übernehmen?

Henning Baum: Ich habe die rohe Idee schon sehr früh zugesandt bekommen – die Geschichte hat mich gleich angesprochen. Ich habe ein gutes Gespür dafür, ob eine Story Potenzial hat. Es musste allerdings noch viel daran gearbeitet werden. Die Autoren und Produzenten waren sehr fleißig und kreativ – sehr aufgeschlossen für meine Ideen. Ich habe immer wieder im Verlauf dieses Prozesses, der über Jahre ging, Entwürfe gelesen und meine Vorstellungen eingebracht. Es war eine schöne Zusammenarbeit und es ist eine sehr glaubwürdige Figur entstanden. Ich kann Mattis Motivation, seine Entschlossenheit und sein Handeln nachvollziehen.

Sie geben den optimistischen Auswanderer Matti Adler, der versucht, seine Träume auf Mallorca zu verwirklichen. Haben Sie jemals daran gedacht, auszuwandern?

Baum: Ich bin ein Kind des Ruhrgebiets. Insofern bin ich in einer Gegend groß geworden, die von Auswanderung geprägt ist. Die Vorstellung, woanders zu leben, ist für mich also nichts Ungewöhnliches. Ich tue das auch immer wieder. Durch meine Arbeit bin ich regelmäßig in der Welt unterwegs. Ich sehe mich selbst als Reisender. Aber das Ruhrgebiet ist für mich ein Ankerpunkt.

Waren Sie vor den Dreharbeiten schon mal auf Mallorca?

Baum: Ich war zuvor dreimal auf Mallorca. Aber ich kannte die Insel nicht gut. Ich habe erst im Verlauf der Dreharbeiten entdeckt, wie viel Reiz Mallorca hat. Früher habe ich die Insel hauptsächlich mit Massentourismus in Verbindung gebracht – den es zweifelsohne gibt. Aber Mallorca halt sehr viel mehr zu bieten. Gerade, wenn man bereit ist, sich abseits der üblichen Pfade zu bewegen.

In der Serie werden die zwielichtigen Strukturen beleuchtet, die auf der Insel Anfang der 1990er vorherrschten. Wussten Sie vor den Dreharbeiten davon?

Baum: Im Detail wusste ich es nicht, aber ich hatte schon von einzelnen Vorfällen gehört. Aber es ist auch nicht verwunderlich. Denn überall, wo viel Geld verdient wird, geht es ruppig zu – egal ob am Ballermann oder in Las Vegas.

Wie liefen die Dreharbeiten zu Corona-Zeiten auf Mallorca ab?

Baum: Wir haben im April mit den Dreharbeiten angefangen. Zu dieser Zeit hat Corona keinen großen Tourismus zugelassen. Aber zu dieser Jahreszeit ist es für die meisten Menschen sowieso nicht warm genug, um am Strand zu liegen. Das Meer ist auch noch sehr kalt. Es gibt eine Szene, wo wir als Familie zum Baden fahren. Wir liegen zwar am Strand und die Sonne scheint – aber es war kein Sommerwetter. Ich musste ins Meer und das Wasser war eiskalt, es hatte vielleicht elf Grad. Da würde kein Mallorquiner freiwillig zum Baden gehen. Einige Einheimische haben uns als Komparsen unterstützt. Die haben sich köstlich darüber amüsiert, dass ich immer wieder ins Wasser musste.

Auf Mallorca zu sein, zu einer Zeit, wo alles geschlossen war – was war das für ein Gefühl?

Baum: Es war sehr ruhig auf der Insel. Am Anfang gab es noch eine Ausgangssperre, die wurde allerdings irgendwann aufgehoben. Wir haben schnell gemerkt: Es gibt Armut auf Mallorca, nachdem Corona-bedingt der Tourismus eingebrochen ist. Vielen Einheimischen wurde die Einnahmequelle genommen, jetzt mussten sie auf andere Weise Geld verdienen. Das war wirklich schlimm. Ich habe mich mit den Komparsen darüber unterhalten. Die waren froh, dass sie bei uns mitspielen konnten. Wir haben zu diesem Zeitpunkt Arbeitsplätze geschaffen und konnten vielleicht dem einen oder anderen helfen. Es war auf der Insel spürbar, dass Corona viele Menschen in eine schwierige Situation gebracht hat.

Die Serie spielt kurz nach dem Mauerfall. Was verbinden Sie mit diesem bedeutungsvollen Ereignis?

Baum: Ich kann mich natürlich sehr gut daran erinnern. Der Mauerfall ist das größte weltgeschichtliche Ereignis, das ich selbst erlebt habe. Ein Wendepunkt, vor allem in der Geschichte des deutschen Volkes. Ich hatte Verwandtschaft in der DDR, die wir vor der Wende regelmäßig besucht haben. Ich kannte also die DDR und die Grenze. Ich weiß, wie es dort gerochen und ausgesehen hat. Das war eine andere Welt. Der Mauerfall hatte zur Folge, dass uns meine Verwandten besuchen durften – was sie Weihnachten 1989 sofort getan haben. Deren Leben hat sich durch den Mauerfall komplett verändert. Allein, dass sie wieder verreisen durften – meine Verwandten haben die neugewonnene Freiheit ausgiebig genutzt.

Was haben Sie als Kind über die DDR gedacht?

Baum: Ich habe schon als Kind nicht verstanden, wie man ein Volk einsperren und bevormunden kann. Ich wusste, dass es falsch ist. Als die Mauer dann von heute auf morgen offen war, begann ein neues Zeitalter; mit neuen Freiheiten, aber auch mit großen Unsicherheiten.

Inwiefern Unsicherheiten?

Baum: Die DDR hat 40 Jahre existiert. Menschen sind mit einer Überzeugung groß geworden, mit der in einer Nacht-und-Nebel-Aktion einfach Schluss gemacht wurde. Plötzlich war nichts mehr gültig und nur noch die Regeln und Gesetze des Westens haben gezählt. Das hat eine große Verunsicherung bei vielen Menschen ausgelöst. Die Wende ist ein langwieriger und weitreichender Prozess, deren Ausläufer heute noch spürbar sind. Das Unverständnis, mit dem sich Menschen aus Ost und West gegenüberstehen, ist bis heute nicht überwunden. Dass wir weiter daran arbeiten, uns kennenzulernen und Einigkeit zu finden, ist sicherlich noch eine längere Aufgabe für unser Volk. „Einigkeit und Recht und Freiheit“ heißt es schließlich in unserer schönen Hymne.

Die Serie spielt 1990. Wie stehen Sie zu den 1980er und 1990ern? Was verbinden Sie damit?

Baum: Die Serie spiegelt den 1980er-Jahre-Style wider – allein durch die Mode und Musik. In den 1990ern ist eine neue Musikrichtung entstanden: der Techno. Zwar gab es vorher schon Techno-Gruppen wie Kraftwerk, aber erst in den 1990ern wurde das Genre richtig populär. Außerdem kam der Grunge auf – eine Weiterentwicklung des Rock’n’Rolls. Danach gab es keine originäre Neuschöpfung mehr. Auch in der Mode: In den 1980ern gab es die letzte genuine Stilrichtung – wie die breiten Schulterpolster. Danach gab es nur noch Variationen vorangegangener Trends.

Musik ist ein gutes Stichwort – in der Serie kommen natürlich auch Schlager vor. Mögen Sie das Genre?

Baum: Ich kann nur mit wenigen Schlagern etwas anfangen. Es gibt ein paar gute Songs, die eher im Grenzbereich zwischen Chanson und Schlager liegen. Ein toller Interpret dieses Misch-Genres ist Udo Jürgens. Seine Texte und Komposition waren wirklich gut. Natürlich kenne ich die großen Klassiker des Schlagers wie „Ti amo“ von Howard Carpendale oder die Hits von Roland Kaiser. Ich habe früher auch die ZDF-Hitparade mit Dieter Thomas Heck angeschaut. Aber schon als Kind habe ich gemerkt, dass ich mich für Schlager nicht begeistern kann. Aber bestimmte Songs kann man sich auf einer Party, zu späterer Stunde, schon mal anhören (lacht).

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