Die Corona-Pandemie hat vielen Menschen den Wert von Gesundheit wieder vor Augen geführt. Doch nicht nur die Folgen einer Corona-Infektion führen zu Beeinträchtigungen, auch Bewegungsmangel im Lockdown oder Stress bis zum Burnout durch die Doppelbelastung mit Homeoffice und Homeschooling machen sich bemerkbar. Im Interview spricht Peter Berek, Vorsitzender des Bayerischen Heilbäder-Verbands, über den Trend zu klassischen Kuren und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, eine solche bewilligt zu bekommen.
Die Corona-Pandemie führte bei vielen Menschen zu einem neuen Gesundheitsbewusstsein. Steigt damit auch die Nachfrage nach Kur und Heilbädern?
Peter Berek: Es gibt noch keine genauen Zahlen, aber in bestimmten Bereichen, wie zum Beispiel Eltern-Kind-Kuren, familienorientierter Rehabilitation oder Reha-Kuren nach einer Corona-Erkrankung, steigt die Zahl der Nachfragen. Generell ist das Bewusstsein, etwas für die eigene Gesundheit zu tun und dies in eine Urlaubsreise zu integrieren, gestiegen.
Wie herausfordernd waren die vergangenen Pandemie-Jahre für Ihre Branche?
Berek: Vielerorts bedeutete der Lockdown für die Kurorte und die dortigen Thermen und Betriebe eine Katastrophe und die Absicherung der Existenz nahm strategischen Plänen für die Zukunft den Raum. Einnahmeausfälle und selbst der Betrieb unter Auflagen mit einer maximalen Auslastung von 25 Prozent brachte viele Betriebe in finanzielle Not. Dabei haben Auswertungen der Luca-App ergeben, dass zum Beispiel die Thermen keine Pandemietreiber sind. Ganz im Gegenteil: Unsere Heilbäder und Kurorte dienen gerade der in der Pandemie so oft zitierten Gesundheit und sind damit Teil der Lösung.
Viele Menschen klagen über gesundheitliche Auswirkungen der Pandemie. Bewegungsmangel, Rücken- und Nackenschmerzen sowie psychische Probleme haben zugenommen. Wie können Kur und Heilbäder hier helfen?
Berek: Die Angebote der Kurorte und Heilbäder setzen genau bei diesen Beschwerdebildern an. Mit den ortsgebundenen Heilmitteln – bei uns in Bayern sind das Moor, Sole, Mineral-, Thermal- und Schwefeljodwässer und reizarmes Heilklima – sowie den Gesundheitsexperten vor Ort gibt es maßgeschneiderte Programme, oft auch in Kombinationen. Denn gerade Rückenschmerzen hängen sehr häufig auch mit seelischer Überlastung zusammen. Daher werden auch Programme mit einer ganzheitlichen Unterstützung angeboten, die auch hilfreiche Tipps für die Umsetzung einer Lebensstiländerung zu Hause beinhalten. Ein Beispiel ist hier das mit Philipp Lahm entwickelte Programm #gesundkannjeder.
Welche traditionellen Heilmittel eignen sich für diese modernen Krankheitsbilder besonders?
Berek: Unserer ortsgebundenen Heilmittel sind sehr vielfältig einsetzbar. Zum Beispiel Moor, das eine beeindruckende Heilkraft besitzt: Es lindert Beschwerden im muskulären Bereich durch Verspannungen, aber auch Gelenkbeschwerden durch Rheuma, Arthritis und Arthrose oder Gicht. Außerdem reduzieren die Inhaltsstoffe des Moors nachweislich das Stresshormon Cortisol im Körper und reduzieren so Erschöpfungszustände und Stress. Mineral- und Thermalwasser oder Sole sind ebenfalls sehr vielseitig: Thermalwasser wird zur Linderung von Beschwerden des Bewegungsapparates eingesetzt, aber auch zur Stressreduktion. Sole hat zudem noch positive Wirkungen auf die Atemwege und kann vielen Patienten mit Lungenproblematiken helfen – ob durch Covid-19 oder auch Allergien.
In Zeiten der Corona-Pandemie ist vor allem das Interesse an Kneipp wieder groß geworden, was macht das klassische Naturheilverfahren so besonders?
Berek: Viele verbinden Kneipp mit Wassertreten und kalten Wassergüssen. Dabei ist es so viel mehr. Das Programm, das Sebastian Kneipp Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt hat, ist aktueller denn je und unterstützt bei den Anforderungen unserer modernen Zeit. Denn der ganzheitliche Ansatz der Kneipp Kur besteht aus fünf Elementen: dem Einsatz der stimulierenden Wassergüsse, einer maßvollen Bewegung, das Beachten einer bewussten Ernährung, dem Einsatz von Heilkräutern und den Blick auf die eigene innere Balance. Damit entspricht Kneipp heutigen Trends von „Clean Eating“ und „Slow Food“ über natürliche Heilmittel bis Selfcare.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um vom Arzt eine Kur verschrieben zu bekommen?
Berek: Die ambulante Badekur ist seit dem 21. Juni 2021 wieder eine Pflichtleistung in der gesetzlichen Krankenversicherung. In Abstimmung mit dem Hausarzt muss hierfür ein Antrag eingereicht werden. Der Arzt muss eine umfassende Begründung für die Notwendigkeit der Kurmaßnahme erstellen und dem Antrag beilegen. Ob Kompaktkur, ambulante Rehabilitations- oder Vorsorgekur, stationäre Kur oder Eltern-Kind-Kur: Die angebotenen Kurformen sind maßgeschneidert auf die Bedürfnisse. Daher ist die Abstimmung mit dem Hausarzt nötig, um das passende Kurangebot auszuwählen.
Wie viel Zeit sollte man mindestens für einen Aufenthalt einplanen?
Berek: Jeder Tag, den man in die Gesundheit investiert, ist ein gewonnener Tag! Von daher lohnen sich schon Kurzaufenthalte über ein langes Wochenende. Will man langfristige Effekte erzielen, sollte man natürlich mehr Zeit mitbringen. Die bayerischen Kurorte und Heilbäder bieten viele einwöchige bis dreiwöchige Programme an. Kuren, die man von seiner Krankenkasse bezuschusst bekommt, sind in der Regel auf drei Wochen ausgelegt.