Die Comic-Legende Stan Lee (1922-2018) ist untrennbar mit dem Verlag Marvel verbunden, aus dessen Publikationen in unserer heutigen Zeit das sogenannte Marvel Cinematic Universe hervorgegangen ist – die nach den reinen Einspielergebnissen bislang erfolgreichste Filmreihe der Kinogeschichte. Abgesehen von umjubelten Cameo-Auftritten in Marvel-Filmen hatte Stan Lee mit dem MCU jedoch nicht mehr allzu viel zu tun. Seine großen Leistungen vollbrachte er besonders in den 1960er Jahren, als Lee etliche der auch heute noch bekanntesten Superhelden wie Spider-Man, den Hulk, Thor, Iron Man, die X-Men sowie die Fantastic Four erschuf. An diesem Mittwoch wäre Stan Lee 100 Jahre alt geworden.
Die Marvel-Revolution der 1960er Jahre
Stan Lee wurde am 28. Dezember 1922 in New York City als Stanley Martin Lieber geboren. Sein Comic-Pseudonym Stan Lee ergibt sich aus der Teilung seines Vornamens, in den 1970er Jahren ließ er dann ganz offiziell seinen Namen ändern.
Zu den Marvel Comics, die damals noch Timely Comics hießen, kam er durch familiäre Verbindungen: Seine Cousine Jean war die Ehefrau des Besitzers des Verlages. Früh arbeitete Lee dort als Texter für Comic-Strips, doch gegen Ende der 1950er Jahre – als der erste große Comic-Boom abflaute – war der Mittdreißiger desillusioniert und wollte seinen Job wechseln. Der Legende nach riet ihm Ehefrau Joan Boocock Lee (1922-2017), mit jenen Geschichten und Helden zu experimentieren, die ihm am liebsten waren, da er ja eh nichts mehr zu verlieren hatte.
Aus dieser Zeit stammen die bereits eingangs erwähnten Marvel-Helden, die wir auch heute noch kennen. Gemeinsam mit Zeichner Jack Kirby (1917-1994) erschuf Lee zunächst die Fantastic Four bestehend aus Mr. Fantastic, The Thing, Invisible Girl und Human Torch. Danach ging es Schlag auf Schlag weiter mit dem Hulk, der für die Marvel-Comics abgewandelten nordischen Gottheit Thor, Iron Man sowie den X-Men.
Mit Zeichner Bill Everett (1917-1973) erschuf Lee dann noch den blinden Helden Daredevil sowie mit Steve Ditko (1927-2018) Doctor Strange und Spider-Man, die erfolgreichste Marvel-Figur überhaupt.
Die Superhelden wurden bereits in den Marvel-Comics der 1960er Jahre zum Superhelden-Team der Avengers verbunden – und teilten sich auch daneben ein gemeinsames Universum. Dieser kleine Kniff, der auch heute noch für das große Marvel Cinematic Universe prägend ist, sollte aus kommerzieller Sicht keinesfalls unterschätzt werden. Denn die (meist jugendlichen) Comic-Leser kauften so nicht nur die Bände ihrer ganz persönlichen Lieblingshelden, sondern auch die gemeinsam Avengers-Geschichten sowie Comic-Hefte anderer Helden, in denen ihr Lieblingsheld gerade auftauchte. Für die Marvel Comics unter Stan Lees künstlerischer Leitung war das eine Goldgrube.
Stan Lees komplexere Comic-Helden
Stan Lee schien Zeit seines Lebens geradezu überzuquellen mit Ideen. Von „The Guardian“ einmal befragt, wie er ständig neue Einfälle für Superhelden und Geschichten haben könnte, antwortete dieser nur lapidar: „Das ist der einfache Teil. Der härteste Teil ist, genug Leute zu bekommen, die all das zeichnen“.
Lees Helden besaßen neben ihren Superkräften auch immer eine sehr menschliche Seite. Der Texter und Geschichten-Erzähler war stets bemüht, aus den Übermenschen „echte Figuren aus Fleisch und Blut mit einer Persönlichkeit zu machen“, wie er der „Washington Post“ im Jahr 1992 verriet. „Das ist, was jede Geschichte haben sollte, aber Comics hatten das bis dahin nicht. Sie waren alle eindimensionale Pappfiguren“.
So ist beispielsweise Peter Parker nicht nur die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft, die in New York maskiert gegen Bösewichte kämpft, sondern eben auch ein schüchterner, nerdiger Teenager, der an seiner Highschool in eine wunderschöne Mitschülerin verliebt ist, sich aber nicht traut, sie anzusprechen.
Auch die X-Men waren zu ihrer Zeit durchaus etwas Neues in der Comic-Welt. Denn die Menschen um sie herum hatten Angst vor den Mutanten. Dieses Außenseitertum stellte in den turbulenten 1960er Jahren auch ein gutes Sinnbild für gesellschaftliche Veränderungen dar.
Stan Lee selbst erklärte die große Faszination für Superhelden einmal so: „Als Kinder lieben wir alle Märchen über Dinge, die größer als das Leben sind: Riesen, Hexen, Trolle, Dinosaurier, Drachen und alle möglichen anderen imaginären Dinge. Dann wird man ein wenig älter und hört auf, Märchen zu lesen. Aber diese Liebe für Dinge, die größer als das Leben sind, magisch und sehr fantasievoll, die lässt einen nie los“.
Das große Marvel Cinematic Universe und Stan Lees Cameo-Auftritte
Im Jahr 1972 hörte Stan Lee dann auf, monatlich erscheinende Comic-Hefte zu verfassen, und wurde Herausgeber beim Marvel-Verlag. Im Jahr 1980 zog er nach Los Angeles, um die Marvel-Helden in Filme und TV-Serien zu überführen, doch abgesehen von der populären Serie „Der unglaubliche Hulk“ (1978-1982) mit Lou Ferrigno (71) als Titelfigur erwiesen sich diese Versuche zunächst als frustrierend.
Der Superhelden-Film in seiner heutigen Form begann mit „X-Men“ aus dem Jahr 2000, der an den Kinokassen beinahe 300 Millionen US-Dollar einspielte und zahlreiche Fortsetzungen nach sich zog. Im Jahr 2002 folgte dann der erste Teil der „Spider-Man“-Trilogie von Regisseur Sam Raimi (63) mit Tobey Maguire (47) als Titelfigur. 2008 erschien mit „Iron Man“ der allererste MCU-Film – unter der Ägide von Superproduzent Kevin Feige (49).
Stan Lee selbst hatte in vielen dieser Werke bis hin zu „Avengers: Endgame“ aus dem Jahr 2019 von Comic-Fans umjubelte Cameo-Auftritte. Daneben trat der große Meister regelmäßig auf Comic-Conventions in Erscheinung, ließ sich als die Comic-Persönlichkeit überhaupt feiern – und hatte beispielsweise auch in der Erfolgs-Sitcom „The Big Bang Theory“ einen humorvollen Gastauftritt als er selbst.