Köln, 26.03.2024 (lifePR) – Kennen Sie ein Museum in Köln, bei dem die Leute Schlange stehen, um reinzukommen? Nicht für moderne Kunst, römische Artefakte, chinesische Vasen, afrikanische Bronzen oder einen echten Rubens. Sie stehen an für: Schokolade. Jetzt führt das direkt am Rhein gelegene Museum Zeitfenster-Tickets für Besucher ein.
Sie haben richtig gelesen. Das Schokoladenmuseum ist das erfolgreichste seiner Art in Köln. Es legte mit 665.000 Besuchern im vergangenen Jahr einen Rekord in seiner 30-jährigen Geschichte hin. Das sind Zahlen von denen andere nur träumen können. Mit 283.000 Kunstinteressierten war das Museum Ludwig 2023 die besucherstärkste städtische Kulturstätte. Wer Interesse an den aktuellen Besucherzahlen aller städtischen Häuser hat, findet sie am Ende dieses Newsletters. Das kann man doch nicht vergleichen, denken Sie vielleicht? Darüber und warum das Museum so erfolgreich ist, habe ich mit der Geschäftsführerin Annette Imhoff gesprochen.
„Manchmal werden wir belächelt, weil ein Schokoladenmuseum doch kein richtiges Museum sei, aber da kann ich nur energisch widersprechen“, sagt mir Annette Imhoff. Die 54-Jährige leitet mit ihrem Mann Christian Unterberg-Imhoff das Museum, ihre Schwester Susanne die im Haus ansässige Imhoff-Stiftung. „Wir haben die größte öffentlich zugängliche Mittelamerika-Sammlung zur Geschichte des Kakaos in Deutschland, zeigen darüber hinaus viele tausend Exponate in unserer Sammlung zu ganz unterschiedlichen Themenbereichen. Außerdem sind wir ein zertifizierter außerschulischer Lernort für nachhaltige Entwicklung“, zählt Imhoff auf.
Schokoladenmuseum führt Zeitfenster-Tickets für Besucher ein
Kein Museum im klassischen Sinne, aber ein Erlebnismuseum und die Besucherzahlen sprechen für sich: In der Spitze kommen mehr als 7.000 Gäste am Wochenende, Warteschlangen gehen bis zur Drehbrücke. Angesichts des Andrangs werden nun dauerhaft Zeitfenster-Tickets eingeführt. „Wir sind das einzige Museum in Köln, das mit Time-Slots arbeitet.“ Im Abstand von 15 Minuten können dann bis zu 120 Gäste ins Gebäude. Das gab es außer in Coronazeiten mit den Kontaktbeschränkungen noch nie für ein Kölner Haus. Woher kommt der Erfolg des inhabergeführten Museums?
„Kakao und Schokolade und seine 5000-jährige Kulturgeschichte faszinieren die Menschen, die zentrale Lage direkt am Rhein funktioniert und die goldene Regel meines Vaters, die da lautet: Immer groß Denken“, begründet Annette Imhoff. Im bekannten Kölner Klein-Klein hat sich die Kölner Unternehmerfamilie also nicht verrannt. Dabei steht bei den Imhoffs nichts still. Seit der Coronazeit wird das Haus Schritt für Schritt erneuert. Nacheinander wurden die gläserne Schokoladenfabrik, das Restaurant, das Foyer und die Dauerausstellung Weltreise des Kakaos neu eröffnet.
Bis Ostern 2025 soll auch noch die kulturgeschichtliche Ausstellung des Schokoladenmuseums vollständig überarbeitet werden, kündigt die Museumsmacherin an und macht auch vor kritischen Themen nicht halt. Denn die lange Geschichte der süßen Schokolade hat auch einen bitteren Beigeschmack. Immer noch steht der Sarrotti-Mohr in der Ausstellung. Annette Imhoff kann die Kritik an der Figur nachvollziehen und will dies in der neuen Ausstellung noch deutlicher als bisher aufarbeiten: „Solche menschenwürdeverletzende Darstellungen müssen wir in den Kontext setzen und genau erläutern, aber wir werden sie nicht canceln.“ Das Schokoladenmuseum beschäftigt sich auch intensiv mit weiteren kritischen Aspekten rund um den Kakao: Themen wie Kinderarbeit, Umweltzerstörung, prekäre Arbeitsbedingungen und schlechte Bezahlung in den Anbauländern werden nicht ausgespart.
Annette Imhoff über das Schokoladenmuseum: „Wir sind ein Museum für Jedermann“
Investitionen in Höhe von rund 10 Mio. Euro sind bisher erfolgt, verrät die Unternehmerin. Das selbsterwirtschaftete Geld wird ins Museum gesteckt. Ein Haus, in dem nichts mehr ist, wie es einmal war und das seit 2019 – laut eigenen Angaben – klimaneutral ist. „Dafür ernten wir zwar viel Respekt und Bewunderung, aber es fragt keiner, wie habt ihr das hinbekommen“, stellt Annette Imhoff fest. Dass die städtische Museumslandschaft zurzeit mit anderen Problemen zu kämpfen hat, ist ihr bewusst. Ihrer Meinung nach macht es aber einen Riesenunterschied, ob man in den städtischen Strukturen arbeitet oder ob man unternehmerische Freiheit hat. „Die Ausgangsvoraussetzungen für Erfolg sind viel einfacher, wenn man nicht mit knappen Budgets, komplizierten Beantragungswegen oder politischen Profilierungen zu kämpfen hat.“
Die Stadt schmückt sich bei Köln Tourismus auf der Internetseite sehr prominent mit dem Schokoladenmuseum. Neben dem Museum Ludwig, dem Museum für Angewandte Kunst und Kolumba, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln, zählt es zu den Top 4. „Die Stadt Köln kann gerne mit uns werben, die Besucher interessiert es nicht, ob wir städtisch sind oder nicht“, findet Annette Imhoff. Und dann sagt sie einen interessanten Satz: „Wir können aber nur so gut sein, wie Köln auch attraktiv ist für die Besucher, denn das Schokoladenmuseum ist ein Teil der Stadt.“ Auch wenn es jetzt der ein oder andere kaum glauben mag – offenbar ist Köln attraktiver als angenommen. Das belegen die steigenden Tourismuszahlen. Die Menschen von außerhalb kommen gern, und wenn sie schon mal in der Stadt sind, dann gehen sie auch ins Schokoladenmuseum. „Wir sind ein Museum für Jedermann“, fasst Annette Imhoff ihr Konzept zusammen.
Auch städtische Museen wollen für alle Menschen da sein. Ein befreundeter Kulturkritiker erzählte mir aber kürzlich, in der breiten Bevölkerung bestehe immer noch eine große Hemmschwelle gegenüber den „klassischen“ Museen. Sie gelten als elitäre Tempel, die man nur mit Abitur und Studium betreten kann. Hinzukommt, dass die Besucherzahlen von einigen Kulturstätten noch nicht das Niveau von vor Corona erreicht haben. Der Ansporn der städtischen Institutionen muss es also sein, mit neuen Konzepten möglichst viele Menschen zu erreichen. Vielleicht wäre für die Verantwortlichen ein Besuch im Schokoladenmuseum mal ein Anfang. Da war nämlich bislang kaum einer.
Das Gespräch führte Claudia Hessel.