Rollenspiele in der frühen Kindheit: Schlüssel zur sozialen und emotionalen Reife

Ravensburg, 03.11.2025 (lifePR) – Prof. Dr. Julia Höke ist Professorin für Didaktik und Methodik der Kindheitspädagogik & Sozialen Arbeit an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen u.a. auf dem Spielen und Lernen in Kita und Familie. Ihr Fokus liegt dabei auf der Frage, wie sich Entwicklungs- und Bildungsprozesse von Kindern gezielt gestalten lässt. Im Interview spricht sie über die Bedeutung des Rollenspiels im frühen Kindesalter – und wie Eltern die Entwicklung ihrer Kinder damit auf vielfältige Weise fördern können.

Was versteht man in der Pädagogik unter dem Begriff „Rollenspiel“?

„Wenn wir an Rollenspiele bei Kindern denken, fällt uns meist das klassische „Vater, Mutter, Kind -Spiel“ ein, was wir bei Kindern ab drei Jahren häufig beobachten. Eine Vorstufe des Rollenspiels ist das Symbolspiel, wenn Kleinkinder z.B. mit einer Banane telefonieren oder einen Bauklotz wie ein Auto über den Teppich schieben. Der Begriff Rollenspiel meint mit Blick auf Kinder aber nicht nur Spielsituationen, in denen Kinder selbst in Rollen schlüpfen, um Menschen oder Tiere zu verkörpern, sondern auch das interaktive Spiel mit Figuren, Puppen und Kuscheltieren.“

Warum sind Rollenspiele für die Entwicklung der Kinder so wichtig?

„Im Rollenspiele lernen Kinder, sich in andere hineinzuversetzen. In einer anderen Rolle können sie erkennen, dass ihre eigenen Interessen, Bedürfnisse und Gefühle sich von denen anderer Menschen unterscheiden. Diese Erkenntnis ist für die soziale und emotionale Entwicklung von Kindern besonders wichtig. So erweitern sie in immer komplexeren Spielen ihr soziales Verhaltensrepertoire. Gleichzeitig probieren Kinder gerne Rollen aus, die ihnen in der Realität nicht zur Verfügung stehen, z.B. als Eltern, Lehrkraft oder Superheld. Spielerisch handeln sie, treffen Entscheidungen und übernehmen Verantwortung wie sie, um die Folgen zu erleben und zu sehen, was sie bewirken. Kinder verarbeiten im Rollenspiel auch alltägliche Erfahrungen und Emotionen, zum Beispiel, wenn sie nach einem eigenen Arztbesuch ihre Stofftiere verarzten oder wenn ein Kind als Katze gestreichelt werden möchte, weil es gerade Nähe braucht. Wenn Kinder gemeinsam in Rollenspiele eintauchen, ist das für sie auch eine sprachliche Herausforderung, weil sie sich präzise und verständlich ausdrücken müssen, um die eigene Rolle passend und nachvollziehbar darzustellen.“ 

Wie können Eltern Rollenspiele im Alltag ihrer Kinder erkennen und sinnvoll begleiten?

„Oft nutzen Kinder ganz gewöhnliche Gegenstände, um in Fantasiewelten einzutauchen. Mein Sohn beschäftigte sich zum Beispiel am Strand mit Muscheln. Während ich erwartete, er würde sie nach Größe oder Farbe sortieren, hörte ich plötzlich: „Hallo, ich bin eure Lehrerin!“ – Er hatte die Muscheln zu einer kleinen Schulklasse arrangiert.
Rollenspiele sind gute Gelegenheiten, die Sprache spielerisch zu fördern. Kinder üben dabei Sätze zu bilden, sich treffend auszudrücken und sie bekommen – wenn wir mitspielen – ganz nebenbei sprachliche Unterstützung, indem wir zum Beispiel unvollständige Wörter oder Sätze richtig wiederholen und spielerisch den Wortschatz erweitern. Wichtig ist, dass wir Erwachsenen uns auf das Spiel der Kinder einlassen. Häufig haben sie sehr genaue Vorstellungen davon, wie eine Rolle gespielt werden soll. Wenn wir ihnen die Führung überlassen, können wir viel über sie erfahren: Was beschäftigt sie gerade? Wie sehen sie die Welt? Und manchmal entstehen daraus anregende Gespräche – auch über das Rollenspiel hinaus.“

Die 5 Förderschwerpunkte von Rollenspielen:

Emotionale Entwicklung:
Gefühle erkennen und darstellen, Empathie, Emotionsregulation

Soziale Entwicklung:
Perspektivenwechsel, Aushandlungsprozesse gestalten

Selbstwirksamkeit:
Handlungen ausprobieren, persönliche Entwicklung

Sprachliche Entwicklung:
Ausdrucksweise, Wortschatzerweiterung

Kognitive Entwicklung:
Symbolverständnis, Denken und Zusammenhänge verstehen

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