Millionen Frauen haben sich in ihn verliebt. In diesen Ralph de Bricassart. In diesen schönen, feinsinnigen Mann, der eine tragische, weil verbotene Liebesgeschichte mit der reizenden Nichte einer Großgrundbesitzerin hat, die ein Kind von ihm bekommt. Was eigentlich überhaupt nicht sein darf, denn Ralph trägt einen auffälligen weißen Rundkragen unter dem schwarzen Talar: Er ist katholischer Priester.
Gerade das macht den verbotenen Reiz aus, gerade das lieben die vielen Frauen an ihm. Und so wird Ralph de Bricassart aus der romantischen Romanverfilmung „Die Dornenvögel“ Mitte der 80er-Jahre eine weltweit umschwärmte Kultfigur. Der TV-Vierteiler hatte in den USA und in Europa sensationelle Einschaltquoten (allein in Deutschland 21 Millionen), das weibliche Publikum war hin und weg von dem Priester, der an der Liebe zum lieben Gott und zur schönen Meggie letztendlich zerbrach.
Der riesige Erfolg lag vor allem an dem US-Schauspieler Richard Chamberlain (90), der den Geistlichen im Zwiespalt seiner Gefühle sehr überzeugend spielte und damit zu einer internationalen Kultfigur wurde. Es war die Rolle seines Lebens.
Das alles liegt zwar einige Jahrzehnte zurück, bleibt aber unvergessen. Am 31. März, dem Ostersonntag und höchsten kirchlichen Feiertag, wird Richard Chamberlain 90 Jahre alt.
Richard Chamberlain studierte zunächst Kunst
Er wurde im sonnigen Kalifornien, in Los Angeles, geboren. Das Filmmekka Hollywood ist dort überall spürbar, viele junge Leute wollen Schauspieler werden, so auch Richard Chamberlain. Er war jedoch zu schüchtern und studierte deswegen Kunst am renommierten Pomona College, wo er sich auch an der Studentenbühne versuchte.
Dann kam 1956 der Einberufungsbescheid, der junge Chamberlain musste zur Army und absolvierte seinen Wehrdienst in Ostasien (Südkorea). Nach zwei Jahren kehrte er in die USA zurück.
Zunächst versuchte er es mit der Malerei, dann überwand er seine Scheu, nahm Gesangs- und Schauspielunterricht. Und er hatte Erfolg: 1961 bekam er die Titelrolle in der TV-Serie „Dr. Kildare“ und spielte in 191 Folgen einen jungen Arzt, der in seiner Klinik medizinische Wunder vollbringt.
Durch den höflichen und empathischen, stets etwas feminin wirkenden Dr. Kildare wurde Richard Chamberlain zum Frauenschwarm, zumal er auch den Titelsong sang und damit in die Charts kam. Sein Erfolg als Sänger festigte er mit den Songs „All I Have to Do Is Dream“ und „They Long to Be Close to You“, letzterer wurde später durch die Carpenters zu einem Welthit.
Erfolge in England
1968 ging er nach England, nahm dort erneut Schauspielunterricht und trat in einem Theater in Birmingham als Hamlet auf. Die positiven Kritiken bestärkten ihn, diesen Weg weiterzugehen. So wurde er in England zu einem ernstzunehmenden Schauspieler, bekam 1970 im Kinofilm „Tschaikowsky – Genie und Wahnsinn“ die Hauptrolle, spielte ab 1973 mit Michael York, Oliver Reed und Raquel Welch in den Filmen „Die drei Musketiere“ und „Die vier Musketiere – Die Rache der Mylady“ und drehte den Musicalfilm „Cinderellas silberner Schuh“.
Er hatte sich einen Namen gemacht und bekam in New York Theaterrollen am Broadway sowie ein Angebot für den Blockbuster „Flammendes Inferno“ an der Seite von Paul Newman, Steve McQueen, William Holden, Fay Dunaway. Danach war er in der ersten Reihe der Stars und übernahm die Hauptrolle in „Der Graf von Monte Christo“ und schließlich in der TV-Serie „Shogun“.
1983 wurden mit ihm „Die Dornenvögel“ gedreht, Richard Chamberlain war auf dem Höhepunkt seines Ruhms, der ihm den Golden Globe bescherte (den er übrigens auch als „Dr. Kildare“ und für „Shogun“ bekommen hatte).
Chamberlain fürchtete um seine Karriere
Dann spielte ihm die internationale Sensationsgier übel mit, als erstes Medium berichtete 1989 die französische Frauenzeitschrift „Nous deux“, dass der Frauenheld Richard Chamberlain gar nicht so sehr auf Frauen stehe und schwul sei. Der Schauspieler war gleichermaßen entsetzt und verzweifelt und soll mit Selbstmordgedanken gespielt haben, denn diese Enthüllung hatte zur damaligen Zeit eine große gesellschaftliche Sprengkraft entwickelt.
Chamberlain fürchtete um seine Karriere und hatte Angst, dass er in Hollywood keine guten Rollen mehr bekommen würde. 1991 trat er die Flucht nach vorn an: In einem Interview outete er sich als homosexuell. Zu diesem Zeitpunkt lebte er bereits seit Anfang der 80er-Jahre auf Hawaii mit seinem Partner und Manager Martin Rabbett in einem paradiesischen Haus in den Bergen mit Aussicht auf Waikiki Beach und die Skyline von Honolulu.
2003 nahm Chamberlain in seiner Biografie „Shattered Love“ nochmals ausführlich Stellung zu seiner Sexualität und schrieb: „Ich hatte das Versteckspiel satt.“ Es sei gewesen, als habe ihm ein Engel die Hand aufgelegt und gesagt „Du bist okay, so wie du bist.“
2011 sagte er US-Medienberichten zufolge in einem Gespräch im US-Fernsehen: „Ich wuchs in den 30ern, 40ern und 50ern auf, als schwul zu sein absolut undenkbar war. Es war das Schlimmste, was einem passieren konnte. Also tat ich so, als wäre ich jemand anderes.“ Er habe eine ganze Karriere auf die Inszenierung des sexuellen Gegenteils aufgebaut und Frauenliebhaber gemimt.
Zurück in Los Angeles
Seit Anfang 2010 lebt Richard Chamberlain wieder in Los Angeles, er wohnt in West Hollywood. Mit Martin Rabbett ist er nicht mehr zusammen, die beiden haben sich mit Chamberlains Rückkehr nach Kalifornien getrennt.
Er tourte mit dem Musical „My Fair Lady“ und als „King Arthur“ mit „Spamalot“ durch die USA, hatte Gastauftritte in TV-Serien wie „Desperate Housewives“, „Leverage“ „Brothers and Sisters“ und „Twin Peaks“. Er spielte mit im Horrorstreifen „Nightmare Cinema“ sowie im Mystery-Drama „Finding Julia“. Und im Kriegsfilm „Echoes of the Past“ (über das Massaker von Kalavryta der deutschen Wehrmacht 1943 in Griechenland) hatte er als 88-Jähriger eine kleine Rolle.
Er engagiert sich für eine saubere Umwelt, schläft acht Stunden täglich, ernährt sich gesund und genießt seinen „wundervollen Frieden“, nachdem alle wissen, dass er mal ein weltberühmter Frauenheld war, der nur Männer liebte.
(ln/spot)
Bild: Richard Chamberlain wird 90 Jahre alt. / Quelle: Kevan Brooks/AdMedia/ImageCollect