Eine große Flugshow auf der US Airbase in Ramstein im Westen der Pfalz am 28. August 1988 (ein Sonntag) endete in der größten zivilen Katastrophe der Bundesrepublik Deutschland. Als drei Flugzeuge der italienischen Kunstflugstaffel beim Versuch verunglückten, die Figur des „zerstoßenen Herzens“ zu fliegen, kostete es 70 Menschen das Leben. Hunderte wurden bei diesem sogenannten „Großschadenereignis“ verletzt, an den seelischen Folgen leiden viele Beteiligte und Angehörige bis heute.
Der Spielfilm „Ramstein – Das durchstoßene Herz“ (26.10., 20:15 Uhr, Das Erste) und die anschließende Doku erzählen von den Geschehnissen ab diesem Schicksalstag vor 34 Jahren, der für die Besucherinnen und Besucher auf dem Gelände als heiterer Ausflug mit Familie und Freunden begann…
Wahrhaftigkeit vs. Katastrophenfilm
Der Film und die Doku wurden – anders als üblich – unabhängig von einem Jahrestag produziert. „Besser jetzt als nie“, sagt Produzentin Barbara Biermann im Pressegespräch dazu. „Das Ereignis liegt lange zurück und es droht natürlich in Vergessenheit zu geraten, bevor die Geschichte der Opfer einmal richtig erzählt wurde“, erklärt sie weiter und erinnert daran, dass gerade viele junge Menschen bei dem Begriff Ramstein längst nur noch an die Musikband Rammstein (mit zwei m) denken.
Das soll sich mit „Ramstein – Das durchstoßene Herz“ ändern. Dass es sich dabei aber weder um ein gefühliges Drama noch um einen Katastrophenfilm handelt, betonen die Filmschaffenden immer wieder. „Der Film setzt konsequent bei der Opferperspektive und der Nachsorgegruppe an, die sich seinerzeit mehr oder weniger privat gefunden hat“, sagt Biermann. Das stehe im Mittelpunkt. Statt auf klassische Katastrophenfilmeffekte zu setzen, gehe es um die beteiligten Menschen, bei denen das Ereignis ewig nachwirke – und für die „nur die adäquate Nachsorge eine echte Hilfe sein kann“.
Die erzählten Geschichten der Opfer und Beteiligten sind im Übrigen allesamt wahr, wie Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt betont: „Die Schicksale haben sich alle so oder ähnlich abgespielt. Davon ist nichts erfunden. Viele Dialoge konnte ich auch nur schreiben, weil ich sie eins zu eins übernommen habe.“ „Wir übertreiben in keinem Fall. Wenn war es eher noch schlimmer“, bestätigt auch Regisseur Kai Wessel.
Eine Ausnahme bilden allerdings die beiden Ermittler, gespielt von Trystan Pütter (41) und Elisa Schlott (28). Ihre Figuren sind erfunden und haben dennoch eine wichtige Funktion im Film. „Sie helfen, die Fakten nochmal zusammenzutragen, damit die Zuschauer alles besser einordnen können“, so Schmidt. Außerdem hätten sie eine „Verschnaufpause und eher eine intellektuelle Ebene hineingebracht“, ergänzt Schauspieler Trystan Pütter.
Zeitzeugen-Berater am Set
Jan Krauter (34) und Ron Helbig (29) spielen reale Ersthelfer, einen Notarzt und einen Pfleger, die damals unvermittelt ins Geschehen hineingezogen wurden. Bei der Vorbereitung und am Set waren sie im engen Austausch mit Zeitzeugen wie Dr. Klaus-Peter Wresch, dem damaligen Notarzt, der zuerst auf den Unglücksgelände eintraf.
„Es war ein riesengroßes Geschenk, dass wir so eng mit tatsächlichen Zeugen dieser Geschehnisse zusammenarbeiten konnten. Das ist diese Mischung aus einer riesigen Verantwortung, der man gerecht werden und mit viel Pietät begegnen möchte und bei der man denken würde, dass sie sehr schwer auf den Schultern lastet“, erinnert sich Krauter und erklärt weiter, dass es auf der anderen Seite aber auch leicht sei, weil man die zu spielende Figur fragen könne, „was sie denkt, wie es ihr ging und was in dieser Zeit in ihr vorgegangen ist“.
Das sei inhaltlich ein wahnsinniges Geschenk im Vergleich zur Entwicklung der Innenwelt und Biografie einer fiktiven Figur. „Hier musste man jetzt eher nur noch dolmetschen“, so Jan Kauter.
Beginn der psychosozialen Nachsorge
Der Film nimmt die Zuschauerinnen und Zuschauer an die Hand, den Weg mit den Opfern mitzugehen. Aus heutiger Sicht besonders relevant ist die Tatsache, dass das Flugtagunglück von Ramstein auch den Beginn der psychosozialen Nachsorge markiert. „Wir erhoffen uns, dass viele Menschen, die nicht nur von Ramstein betroffen sind, sondern auch von anderen Unglücken, und die Trauma erlebt haben, dass sie sich vielleicht von dem Film angesprochen fühlen, und sich Hilfe zu suchen“, erklärt Produzentin Simone Höller im Pressegespräch.
Auch nach Ramstein habe es noch zehn Jahre gedauert, bis Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) bei Ärzten anerkannt und diagnostiziert worden seien. Einen Beitrag zu mehr Aufklärung leisten zu können, erhofft sie sich außerdem im Zusammenhang mit dem großen „Unverständnis im privaten und beruflichen Umfeld“ gegenüber traumatisierten Menschen.
„Ramstein – Die Doku“
Das Unglück von Ramstein hat sich tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Auch 34 Jahre später sind Überlebende und Helfern und Helferinnen zum Teil schwer gezeichnet. Und sie klagen an: Damals wurden Sicherheitsregeln missachtet, die Rettungsmaßnahmen verliefen chaotisch, zuständige Politiker entzogen sich ihrer Verantwortung.
Diesen Themen geht „Ramstein – Die Doku“ (21:45 Uhr, das Erste) im Anschluss an den Film nach. Hans Jakob Rausch und Benjamin Arcioli stellen die vielen offenen Fragen rund um den Flugtag in Interviews mit Beteiligten, Experten und Politikern.