Es ist erst der zweite Fall des neuen Brandenburg-„Polizeiruf 110“-Teams. Und gleichzeitig auch der letzte in der aktuellen Besetzung. Nach dem Abschied von Maria Simon (46) alias Kommissarin Olga Lenski im Jahr 2020 geht nun auch ihr langjähriger Partner. Adam Raczek (Lucas Gregorowicz, 46) verlässt seinen neuen Partner Vincent Ross (André Kaczmarczyk, 36) wieder. Gregorowicz kündigte bereits im Juni an, bald nicht mehr Teil der Krimireihe zu sein. Laut rbb erfolgte die Trennung auf eigenen Wunsch.
Ohne vorab zu viel zu verraten: Mit dem „Polizeiruf 110: Abgrund“ (Sonntag, 11. Dezember ab 20:15 Uhr im Ersten) gelang den Machern ein echtes Finale furioso. So überzeugend, so bewegend und so präsent hatte man Gregorowicz als Adam Raczek noch nie zu Gesicht bekommen. Ein Lebewohl, das schmerzt: In dieser Form wird der scheidende Ermittler nur schwer zu ersetzen sein.
Darum geht’s im „Polizeiruf 110: Abgrund“
Die polnische Geologin Magdalena Nowak wird tot in einem Waldstück in der Nähe des Dorfes Fehlow am Rande eines ehemaligen Braunkohlegebiets gefunden – offensichtlich mit einer Plastiktüte erstickt. Kriminalhauptkommissar Adam Raczek und Kriminalkommissaranwärter Vincent Ross können ein Sexualverbrechen zunächst ausschließen. Aber warum war die junge Frau mitten in der Nacht allein im Wald? Laut Aussage ihres Freundes Tom Grabowski (Patrick Kalupa, 43) wollte Magdalena zu ihrem Camper. Sie wohnte erst seit kurzem hier und arbeitete an einem Bodengutachten zur Renaturierung des ehemaligen Abbaugebiets, das touristisch erschlossen werden soll.
Von der Leiterin des Projektes, Kristin Bredow (Annika Kuhl, 50), erfahren die Ermittler, dass hier einer der größten künstlichen Seen entstehen soll. Für die Bewohner hängt deshalb viel von dem Gutachten ab. Wollte jemand die Ergebnisse beeinflussen? Der langjährige Pfarrer von Fehlow, Simon Bredow (Steven Scharf, 47), der seit Jahrzehnten die schrumpfende Gemeinde betreut und jeden im Dorf persönlich kennt, kann sich nicht vorstellen, dass Magdalena deshalb sterben musste. Als bei einer Rutschung unweit des ersten Tatorts eine weitere Leiche auftaucht, müssen Raczek und Ross herausfinden, ob ein Zusammenhang zwischen den zeitlich weit auseinanderliegenden Taten besteht.
Ist der Täter oder die Täterin weiterhin aktiv? Die beiden Kommissare wissen, dass sie den Fall nur durch schnelle Ergebnisse lösen können und konzentrieren sich auf die Bewohner des Dorfes. Sie wollen den Täter mit ihrer Anwesenheit unter Druck setzen und quartieren sich in Fehlow ein. Die Ermittlungen fordern Raczek und Ross extrem heraus und Raczek trifft schließlich eine Entscheidung mit weitreichenden Konsequenzen.
Lohnt sich das Einschalten?
Absolut, „Abgrund“ ist der wohl beste „Polizeiruf 110“ mit Lucas Gregorowicz. Zum Abschied haben sich die Macher einen klassischen Krimi ausgesucht, der 90 Minuten lang Spannung verspricht. Mehrere Plot-Twists locken den Zuschauer immer wieder auf die falsche Fährte. Das Publikum begleitet die Kommissare auf einer spannenden Achterbahnfahrt innerhalb eines kleinen Dorfes, bei dem viele als Täter infrage kommen und einige im Verlaufe der Ermittlungen mit Verfehlungen und Taten konfrontiert werden, die sie jahrelang unter dem Teppich halten konnten.
Natürlich sticht allerdings die Rolle von Gregorowicz hervor. Desillusioniert von der Polizeiarbeit zerbricht er sich den Kopf über die Sinnhaftigkeit seines Daseins und steht so extrem neben sich, dass er seine Wutausbrüche und Grenzüberschreitungen nicht mehr unter Kontrolle hat. Ein gestandener Polizist, der zu scheitern droht oder schon gescheitert ist? Auch das Ende seines „Polizeiruf“-Engagements wird in den Fall wunderbar eingewoben und illustriert eindrücklich die gefühlte Machtlosigkeit und Ohnmacht, die sich schon lange in seinem Kopf Bahn gebrochen hat.