Wenn ein „Tatort“ sich von der klassischen Krimilogik löst, ist Felix Murot aus Wiesbaden meist nicht weit. „Murot und der Elefant im Raum“ (28. Dezember, 20:15 Uhr, Das Erste) setzt genau dort an, wo das Team um Ulrich Tukur (68) schon 2019 mit „Murot und das Murmeltier“ eine Marke gesetzt hat: Der Fall wird nicht nur ermittelt, er wird erlebt – als psychologisches Experiment.
Die offensichtlichste Klammer der beiden Filme ist der Name Dietrich Brüggemann (48): Er schrieb und inszenierte beide Filme – damals die Zeitschleifen-Geiselnahme in einer Bank, diesmal die Suche nach einem entführten Kind über den Umweg durchs Unterbewusstsein. Auch diesmal steht nicht der klassische Spurenkrimi im Vordergrund, sondern eine Versuchsanordnung, die das Format „Tatort“ als Spielwiese nutzt. Brüggemann beschreibt das Prinzip sehr offen: Filme würden „zum Unterbewusstsein“ sprechen – und handelten im Grunde auch davon.
Der Film übersetzt diesen Ansatz in eine konkrete Idee: Murot leidet „unter den psychischen Strapazen“, probiert bei Dr. Schneider (Robert Gwisdek, 41) eine Therapie aus und kann mit einer Maschine „in seiner eigenen Psyche spazieren gehen wie in einer Landschaft“. Das ist nicht nur ein neues Gadget, sondern – wie schon die Zeitschleife in „Murmeltier“ – eine formale Erlaubnis, Krimi-Routine zu verlassen und über Murot selbst zu erzählen.
Nadine Dubois und das Motiv der Geiselnahme
Auch in der Besetzung setzt der neue Film ein deutliches Echo: Die Schauspielerin Nadine Dubois (42) ist erneut zentral dabei, diesmal als Eva Hütter. In „Murot und das Murmeltier“ spielte Dubois die Geiselnehmerin Nadja Eschenbach – ausgerechnet jene Figur, die Murot in der Zeitschleife immer wieder erschießt und die Dauerschleife erst richtig zum Laufen bringt.
Auch im Detail baut der neue Film Brücken. Tom Lass und Monika Wojtyllo sind erneut als Polizist Dreher und Polizistin Schreiner dabei – zwei Figuren, die bereits in „Murmeltier“ auftauchten.
Der neue Fall variiert aber die Konstellation: Keine Bank, aber ein Gericht; keine Armbrust, sondern ein spitzer Bleistift; keine klassische Geiselgruppe, sondern ein Kind. Eva droht das Sorgerecht zu verlieren, nimmt ihren fünfjährigen Sohn Benjamin mit und flieht in eine Waldhütte im Taunus. Nach einer Verfolgungsjagd landet sie im Straßengraben und fällt ins Koma – das Kind bleibt verschwunden.
Das Muster ist dennoch auffällig ähnlich: Eine verzweifelte Person setzt in einer ausweglos empfundenen Lage auf eine Geiselnahme bzw. Entziehung, die Polizei steht unter Zeitdruck, und Murot muss einen Zugang finden. Sein Weg ist in beiden Filmen psychologischer und nicht Polizei-taktischer Natur.
Beim Publikum entsteht somit ein Gefühl der Wiederaufnahme, weniger als Fortsetzung mehr als Reminiszenz: „Murot und der Elefant im Raum“ wirkt wie die nächste Variation eines Prinzips, das „Murot und das Murmeltier“ berühmt gemacht hat – ein „Tatort“, der seine Fälle nicht nur lösen, sondern erst einmal in eine Form bringen will, die zum Kopf seines Ermittlers passt.
(dr/spot)
Bild: Ulrich Tukur in „Murot und der Elefant im Raum“. / Quelle: HR/Senator Film/Dietrich Brüggemann


