Mathias Mester (38) war jahrelang einer der besten Parasportler Deutschlands. Im Speerwurf wurde er mehrfach Welt- und Europameister, im Kugelstoßen gewann er Paralympics-Silber. Heute ist er vor allem aus dem Fernsehen bekannt, unter anderem durch „Let’s Dance“ und „Das große Promibacken“.
Seine Bekanntheit nutzt Mester, um Vorurteile abzubauen und Inklusion zu fördern. Aktuell unterstützt er die Initiative „Stück zum Glück“ von Rewe, Procter & Gamble (P&G) und der Aktion Mensch, die inklusive Spielplätze in ganz Deutschland baut. Seit 2018 wurden so bereits mehr als 55 Spielplatzprojekte umgesetzt – dank rund 3,5 Millionen Euro an Spenden. „Ich freue mich, meine Reichweite für Themen nutzen zu können, die die Gesellschaft voranbringen“, sagt Mester im Interview und spricht über die größten Herausforderungen auf dem Weg zu mehr Inklusion.
Lediglich jeder fünfte Spielplatz ist zumindest teilweise barrierefrei oder verfügt über inklusive Spielgeräte. Warum sollten inklusive Spielplätze eine höhere Priorität in der Stadt- und Gemeindegestaltung haben?
Mathias Mester: Das ist selbstverständlich eine Frage der Inklusion, die leider noch viel zu wenig Beachtung in unserer Gesellschaft bekommt. Es ist so wichtig, dass alle Kinder miteinander spielen können. Es ist auch eine Frage der Wertschätzung. Inklusion ist, wenn alle mitmachen dürfen und niemand zurückbleibt.
Welche Maßnahmen sind nötig, um Spielplätze für alle Kinder zugänglich zu machen?
Mester: Das Wichtigste ist, dass auf einem inklusiven Spielplatz alle Kinder gemeinsam und selbstbestimmt spielen können, Abwechslung finden und passende Herausforderungen. Möglich wird das durch Bereiche mit befahrbarem Fallschutz aus Gummi statt Sand oder Hackschnitzel, durch vielfältige Spielgeräte, die verschiedene Sinne ansprechen und unterschiedliche Ein- und Ausstiege bieten, durch Rampen und Rutschen mit verschiedenen Höhen und Neigungen oder auch durch Schaukeln mit verschiedenen Sitzmöglichkeiten.
Sie setzen sich aktiv für Inklusion ein. Was bedeutet der Begriff für Sie persönlich?
Mester: Inklusion ist für mich ein Schritt in Richtung Normalität. Ich finde es eher traurig, dass man noch darüber sprechen muss, auch Kinder bzw. Menschen mit Behinderung zu inkludieren. Es sollte selbstverständlich sein, wir sollten es einfach leben – und das am besten von Anfang an.
Wo sehen Sie in Deutschland aktuell die größten Hürden für eine inklusive Gesellschaft?
Mester: Dass man sich nichts traut! Dass man an der Spitze (Politik, Wirtschaft) immer noch den alten Mittelweg geht, um nichts falsch zu machen. Es läuft ja irgendwie, aber gemeinsam zum Erfolg zu kommen, ist doch viel größer und schöner. Alle lernen voneinander und kommen so zu größeren Erfolgen.
Sie begeistern viele Menschen durch Ihren offensiv-humorvollen Umgang mit Ihrer Kleinwüchsigkeit. Sind Sie schon immer so humorvoll mit Ihrer Behinderung umgegangen?
Mester: Ich glaube, dass in meiner Kindheit so eine Art Selbstschutz entstanden ist. Wenn andere Witze aufgrund meiner Größe gemacht haben, habe ich meist noch einen Witz hinterher geschossen, um dem- oder derjenigen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Oder dass man nicht über mich gelacht hat, sondern durch den eigenen Witz alle zusammen gelacht haben. Mit Spaß kommt man viel weiter im Leben und macht es sich nicht so schwer. Spaß verbindet!
Wie gehen Sie damit um, wenn Sie ständig auf Ihre Größe reduziert werden?
Mester: Ganz locker. Es kommt ja immer darauf an, von wem es kommt und wie es gemeint ist. Meist sind es Kinder. Wobei Kinder sehr ehrlich sind und eher Fragen stellen. Das ist mir vor allem wesentlich lieber, als wenn die Eltern die Kinder einfach wegziehen und den Kindern verbieten, zu mir zu schauen. Einfach offen aufeinander zugehen, respektvoll und hilfsbereit.
Inzwischen sind Sie durch Ihre öffentlichen Auftritte und TV-Shows fast bekannter als durch Ihren Sport. Ärgert Sie das?
Mester: Natürlich ist das schade, dass ein Paralympics-Sieg oder Weltmeistertitel außer im Fußball in Deutschland leider nicht die Anerkennung bekommt, wie es alle Sportler verdient hätten. Nach dem Sport hat für mich eine neue Ära begonnen: Die Zeit als aktiver Sportler ist nicht mit meinem jetzigen Leben zu vergleichen. Ich finde es toll, dass ich meine Reichweite dafür nutzen kann, bei den Themen für mehr Aufmerksamkeit zu sorgen, die wirklich wichtig sind. Wie mein Engagement für die Initiative „Stück zum Glück“. Hier kann jeder Einzelne ganz einfach beim Einkaufen unterstützen: Mit jedem Kauf eines P&G-Produktes bei Rewe fließt ein Cent in das Projekt.
Was raten Sie jungen Menschen mit Behinderung, die ihren eigenen Weg gehen wollen – sei es im Sport oder in anderen Bereichen?
Mester: Immer das zu machen, was man möchte. Sich nicht einreden lassen, dass man aufgrund von einer Behinderung anders ist oder man etwas nicht schafft. Man kann alles schaffen – jeder auf seine Art und Weise!
Viele Menschen haben Angst, etwas falsch zu machen, wenn sie einen Menschen mit Behinderung treffen. Was können Sie diesen auf den Weg geben?
Mester: Geht aufeinander offen, respektvoll und hilfsbereit zu. Barrieren entstehen häufig zuerst in den Köpfen.
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Bild: Inklusion bedeutet für Mathias Mester „ein Schritt in Richtung Normalität“. / Quelle: © Alexandra Kern