Dieser Film geht unter die Haut! Am kommenden Sonntag (29. Mai, 20:15 Uhr, Das Erste) gehen die Bremer Kommissarinnen Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer, 33) und Linda Selb (Luise Wolfram, 34) auch an ihre eigene psychische Belastungsgrenze – und fordern dabei den Zuschauer wie selten zuvor. Die „Tatort“-Macher setzen in der Folge „Liebeswut“ in erster Linie auf klassische Horror- und Thriller-Elemente: schaurige Puppen, versteckte Räume, unbekannte Dachluken, pädophile Hausmeister, mysteriöse Großeltern und widerliche Nachbarn.
Was sich zunächst nach „Horror-Thriller aus dem Baukasten“ anhört, entpuppt sich allerdings als großer Glücksgriff. „Liebeswut“ schockiert, gruselt, ekelt und fesselt. Nur: Diese Art von Film muss man natürlich auch mögen. Doch dazu später mehr…
Übrigens: Wer den Bremer „Tatort“ auch gerne wegen des dänischen Schauspielers Dar Salim (44) in seiner Rolle als Mad Andersen sieht, wird enttäuscht. Moormann und Selb ermitteln in „Liebeswut“ auf eigene Faust und ohne ihre dänische Unterstützung.
Darum geht es im „Tatort: Liebeswut“
Die Bremer Kommissarinnen haben es auf den ersten Blick mit dem Selbstmord einer psychisch Kranken zu tun. Nach einem Wohnungsbrand wird die Leiche der Mieterin in ihrem hermetisch abgedichteten Schlafzimmer gefunden. Die Frau im Hochzeitskleid ist an einem Kopfschuss gestorben, an der Wand eine kryptische Nachricht: Der Teufel spreche durch die Wände und wolle jemanden holen.
Liv Moormann wehrt sich gegen die Aufnahme von Ermittlungen, denn sie wird im Umfeld des Hauses von ihren eigenen alten Dämonen heimgesucht. Doch ihre Kollegin Linda Selb will unbedingt herausfinden, wer der Teufel ist. Es stellt sich heraus, dass Susanne Kramers kleine Töchter nach der Schule verschwunden sind. Was ist den Mädchen widerfahren? Hat sie „der Teufel“ geholt?
Den Ermittlerinnen wird klar, dass Susanne Kramers Tod nicht das einzige Unglück bleiben wird, wenn sie nicht schnell reagieren. Susanne Kramers familiäres Umfeld beschreibt die Frau merkwürdig einstimmig als instabil, sie habe sich in früheren Jahren sogar selbst verstümmelt. Wem ist zu trauen? Wie ist die Aufregung des getrennt lebenden Ehemannes und dessen schwangerer Freundin zu deuten? Ist die Besorgnis der Großeltern glaubwürdig? Was weiß der Nachbar Gernot Schaballa, der als einziger Schüsse gehört haben will? Und welche Rolle spielt der Hausmeister der Schule, Joachim Conradi, der verzweifelt mit seiner pädophilen Neigung kämpft?
Es ist ein Lauf gegen die Zeit, denn Zeugen sterben, bevor die Kommissarinnen ihre Fragen stellen können. Liv Moormann muss sich ihren verwirrenden Erinnerungen stellen, um gemeinsam mit Linda Selb herauszufinden, wer der Teufel ist. Nur so können sie die verschwundenen Kinder finden.
Lohnt sich das Einschalten?
Ja, absolut. „Liebeswut“ ist mit Abstand der stärkste Bremer-„Tatort“ seit langem und der stärkste Auftritt von Jasna Fritzi Bauer und Luise Wolfram als Kommissarinnen. Aber: Man muss dieses Genres des Thriller-Horror-Krimis natürlich auch mögen, um am Sonntagabend an diesem Film seinen Spaß zu haben. Für zartbesaitete Seelen ist diese Folge der Krimireihe natürlich ganz und gar nichts. Für alle anderen bekommt „Liebeswut“ das Prädikat „sehr empfehlenswert“ verpasst.
Einzig die zahlreichen Flashbacks von Liv Moormann, die sich vor allem durch den Nachbarn Schaballa an ihre eigene, schwere Kindheit erinnert fühlt, entpuppen sich als etwas fragwürdig bis überflüssig. Ohne diese Einschübe wäre der Film noch strukturierter, noch klarer ausgerichtet dahergekommen. Auch fragt man sich bisweilen, ob in Bremen denn nur verrückte Menschen leben. Alle Neben-Charaktere werden als völlig skurril bis pathologisch wahnsinnig dargestellt – und damit bisweilen überzeichnet. Als bewusstes Stilmittel sicherlich nicht komplett verkehrt, aber in einigen Szenen wirken die Charaktere dadurch ein wenig unrealistisch.
Nichtsdestotrotz ist „Liebeswut“ ein richtig starkes Stück „Tatort“ und nach einigen durchwachsenen Ausgaben und Kritik auch für Jasna Fritzi Bauer und Co. fast schon wie ein echter Re-Start zu werten. Besonders lobenswert sind neben gutem Drehbuch, toller Umsetzung und bemerkenswerten Dialogen auch die starken Nebendarsteller, allen voran Matthias Matschke als verdächtiger Vater und Ehemann sowie Dirk Martens als gruseliger Schul-Hausmeister.