Felix Adlon (57) erzählt in „Hedda Adlon: Geliebt, gehasst, bewundert – Das unkonventionelle Leben der Hotelkönigin“ (Heyne Verlag) die Geschichte seiner Stief-Urgroßmutter. „Von einer Persona non grata wurde Hedda zu einer der wichtigsten Figuren unserer Familiengeschichte. Sie hat das Hotel nicht nur durch schwierige Zeiten gelenkt. Ohne sie würde das Adlon heute höchstwahrscheinlich nicht existieren“, erklärt der Ururenkel von Hotelgründer Lorenz Adlon.
„Charlie Chaplin, Edgar Wallace, Hans Albers, Heinz Rühmann, Herbert von Karajan, Josef Neckermann oder die exzentrische Tänzerin Anita Berger gingen im Adlon ein und aus. Durch Heddas Einfluss wurde das Adlon zum ‚Place to be'“, berichtet Felix Adlon außerdem im Interview zu seinem Buch, das am 23. Oktober erschienen ist. Darin verrät er auch, wie turbulent die Ehe von Hedda und Louis Adlon verlief.
Wie haben sich Hedda und Louis Adlon kennengelernt?
Felix Adlon: Es war Silvester 1920 und Hedda wohnte im Adlon als Gast. Eigentlich wollte sie das neue Jahr still und leise in ihrem Zimmer einläuten lassen. Aber eine Bekannte überredete sie, im Festsaal mitzufeiern. Louis war als Gastgeber natürlich vor Ort. Ihre Blicke trafen sich und es war um sie beide geschehen. Es war Liebe auf den ersten Blick, die ein Leben lang hielt.
Warum wurde Hedda in der Adlon-Familie „Das Miststück“ genannt?
Adlon: Sie war die Stiefmutter, die in den Augen von Louis‘ fünf Kindern der Grund für die Trennung ihrer Eltern war. Wenn man ehrlich ist, war dieses Familienglück aber schon längst verflogen.
Wie machte Hedda das Hotel Adlon in den Goldenen Zwanzigern zu einem Treffpunkt der Hautevolee?
Adlon: Hedda erkannte die Notwendigkeit, das Adlon aus seiner Trauer der verlorenen Kaiserzeit zu rütteln. Das Kaiserreich war passé. Um neues Publikum, neue Gäste ins Adlon zu holen, brauchte es mehr als den Luxus, den das Haus zu bieten hatte. Also schlug Hedda vor, die Mode der Pariser Fünfuhrtanztees einzuführen, samt Gigolos bzw. Eintänzern. Louis war natürlich empört. Eintänzer im Adlon – niemals. Aber Hedda hat gewusst, wie sie ihren Louis überzeugt. Sie war eine absolute Powerfrau. Eine Macherin, die den Mut hatte, ihr Leben immer wieder grundlegend zu verändern.
Wurde Hedda nach ihrer Heirat mit Louis zu einer verwöhnten Gattin?
Adlon: Keineswegs! Hedda liebte es zu arbeiten, zu organisieren. Sie wohnte jedem Einstellungsgespräch bei und kümmerte sich um die wichtigen Abläufe im Hotel. Gemeinsam mit Louis widmete sie ihre ganze Kraft und Aufmerksamkeit den erlauchten Gästen. Charlie Chaplin, Edgar Wallace, Hans Albers, Heinz Rühmann, Herbert von Karajan, Josef Neckermann oder die exzentrische Tänzerin Anita Berger gingen im Adlon ein und aus. Durch Heddas Einfluss wurde das Adlon zum „Place to be“.
Warum kriselte es dennoch in der großen Liebe von Louis und Hedda?
Adlon: Ich denke, dass Hedda und Louis mit so viel Glitzer und Glamour umgeben waren, und gleichzeitig einen solch fantastischen Betrieb am Laufen hielten, dass sie sich ein wenig auseinandergelebt hatten. Im verflixten siebten Ehejahr drehte sich alles nur um das Adlon. Beide wurden umworben. Beide hatten Affären. Aber sie merkten, dass ihre Liebe größer und wichtiger war, und wendeten sich wieder einander zu. Sie waren für einander bestimmt, und nichts sollte sie jemals voneinander trennen.
Warum wurde Louis 1945 als Nazi-Anhänger verhaftet?
Adlon: Es war ein Missverständnis. Als russische Soldaten in die Adlon Villa eindrangen, stellte sich eine Angestellte schützend vor Louis und sagte vorwurfsvoll: „Wissen Sie denn nicht, wer das ist? Das ist Louis Adlon! Der Generaldirektor des Hotel Adlon!“ Das einzige Wort, das die Russen verstanden, war „General“ und sie führten meinen friedliebenden Urgroßvater ab. Knapp zwei Wochen lang haben sie ihn in diversen GPU-Kellern verhört und gefoltert, bis er dann auf einem Gewaltmarsch zusammenbrach und kurze Zeit später starb.
Wie wuchs Hedda bei der Suche nach Louis erneut über sich hinaus?
Adlon: Hedda brach sofort auf, um ihren geliebten Louis zu finden, um ihm beizustehen, ihn zu befreien. In ihrem Kopf musste es doch möglich sein, das Missverständnis aufzuklären. Sie ging von Villa zu Villa, Kaserne zu Kaserne, um ihren Mann zu finden, und begab sich dabei als Frau im russischen Sektor in äußerste Lebensgefahr. Sie gab nicht auf und fand Louis – aber leider zu spät.
Felix Adlon, geboren 1967 in München, ist der Ururenkel von Lorenz Adlon, der vor mehr als hundert Jahren in Berlin das berühmte Hotel Adlon gründete. Er wuchs in Bayern auf, studierte in den USA und wurde wie sein Vater Percy Filmregisseur. 2010 drehten sie zusammen das Kinodrama „Mahler auf der Couch“. Heute ist Felix Adlon mit Nina Adlon, Opernsängerin und Gesangspädagogin, verheiratet, hat sechs Kinder und lebt in der Wachau.
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Bild: Über Hedda Adlon hat Felix Adlon das Buch „Hedda Adlon: Geliebt, gehasst, bewundert“ (Heyne) verfasst. / Quelle: Adlon-Familienarchiv