Hildegard Knef: Sie wollte alles – und bekam alles!

Hildegard Knef: Sie wollte alles – und bekam alles!

Vielleicht lässt ja doch irgendeine(r) rote Rosen regnen, am Ende des Jahres, mitten im Winter. Verdient hätte sie es. Vor ihr war keine wie sie und nach ihr schon gar nicht. Hildegard Knef (1925-2002) ist eine Legende, vielleicht sogar ein Mythos, obwohl sie seit fast 24 Jahren nicht mehr lebt.

Gerade in diesen Tagen ist wieder viel von ihr zu hören, sehen und zu lesen, denn am 28. Dezember steht ein rundes Jubiläum an: Hildegard Knef wäre 100 Jahre alt geworden.

„Knef – das ist ein Patchwork“

Eigentlich gab es „Die Knef“ gar nicht. Zu diesem Schluss kommt die Filmemacherin Clarissa Ruge in ihrer großartigen Doku „A woman and a half – Hildegard Knef“ von 2001. Ruge konnte selbst mit ihr sprechen und bekam den Eindruck vermittelt: „Knef – das ist ein Patchwork“, „hinter jeder Knef lauern Welten“. Mal sprühe sie vor Witz und Charme, mal sei sie unberechenbar und zynisch. Und immer wieder „voller Wärme, Humor, Schlagfertigkeit und einem Quäntchen Selbstreflektion“.

Beschäftigt man sich mit Hildegard Knef, begegnet man tatsächlich einem Gesamtkunstwerk. Am Anfang stand die Schauspielerin – von da aus nahm alles seinen Lauf. Später trat die Sängerin hinzu, auch wenn das, was und wie sie sang, mit klassischem Gesang wenig zu tun hatte. Nicht ohne Grund nannte Ella Fitzgerald (1917-1996) sie einmal „die größte Sängerin ohne Stimme“.

Die dritte unverwechselbare Variante der Hildegard Knef ist die Buchautorin. Nach ihrem Weltbestseller „Der geschenkte Gaul“ von 1970 schrieb sie sechs weitere Bücher, die alle mit ihren Leben zu tun hatten und ebenfalls auf den Bestsellerlisten standen.

Und dann war da noch eine vierte Ausprägung der Knef: die Berlinerin. Es kann gut sein, dass das die beliebteste von allen war/ist. Es gehört zur Ironie der Geschichten über die Knef, dass sie überhaupt nicht in Berliner geboren wurde, sondern 1925 in Ulm. Somit gehört sie strenggenommen zu den „Schwaben in Berlin“, die speziell in der Hauptstadt 100 Jahre nach dem Knef-Geburtstagdatum oft als spießig und provinziell wahrgenommen werden.

Die Geburtsstadt Ulm hat einen Platz sowie eine Straßenbahn nach ihr benannt, letztere offensichtlich nach ihrem Chanson „Straßenbahn Linie 3“. Im Gegensatz zu Ulm hat sie Berlin gleich mehrfach besungen, mehr oder minder poetisch wie „Berlin, dein Gesicht hat Sommersprossen“, „Das ist Berlin“ und natürlich mit der berühmten Hymne „Ich hab‘ noch einen Koffer in Berlin“.

Ein Leben voller Höhen und Tiefen

Offenbar ist ihr ein untrüglicher Instinkt für das Dramatische angeboren, denn ihr Leben bewegt sich von klein auf zwischen Extremen. Kein Jahr nach ihrer Geburt stirbt ihr Vater Hans Theodor Knef an den Folgen der Syphilis. Daraufhin zieht die Mutter Friede Auguste mit ihrer Tochter nach Berlin, wo sie 1933 den Lederfabrikanten Wilhelm Wulfestieg heiratet.

Hildegard Knef ist in Berlin-Schöneberg aufgewachsen, hat dort die mittlere Reife gemacht sowie eine Ausbildung zur Schauspielerin. Es folgen kleine Filmrollen – und die erste große Liebe. Sie verliebt sich 1944 in den 18 Jahre älteren (verheirateten) Ewald von Demandowsky, Produktionschef bei der Filmfirma Tobis. Der Reichsfilmdramaturg ist ein Günstling des Nazi-Chefpropagandisten Joseph Goebbels. Nach Kriegsende wird er von den Russen erschossen und 1991 von Moskau posthum rehabilitiert: Das Todesurteil von 1946 sei zu Unrecht ergangen.

Ihr Weg nach Hollywood

1946 lernte die junge Knef ihren späteren ersten Ehemann kennen: den jüdischen US-Filmoffizier Kurt Hirsch. Hochzeit 1947. Da hat sie einige Engagements an Theatern und ihre erste Filmhauptrolle in „Die Mörder sind unter uns“. Der erste deutsche Nachkriegsfilm macht die 20-Jährige auch international bekannt. Das junge Ehepaar zieht nach Los Angeles. Später sagt Hirsch der Berliner Zeitung „B.Z.“: „Hilde wollte unbedingt Hollywood-Karriere machen, hatte sogar einen 7-Jahres-Vetrag von Film-Mogul David O. Selznick in der Tasche. Sie bekam zwar regelmäßig Geld, aber keine Rollen. Drei Jahre lang saß sie nur rum.“

Dann lernt sie Hollywood-Regisseur Anatol Litvak (1902-1974) kennen. Nachdem der ihr eine Rolle im Film „Entscheidung im Morgengrauen“ anbietet, „verließ sie mich für ihn“, erzählt Hirsch verbittert. Trennung 1950, Scheidung 1952.

Ehemann Nummer zwei wird der britische Schauspieler David Cameron (1935-2012). Diese Ehe hält von 1962 bis 1976. Mit Cameron bekommt die Knef auch ihr einziges Kind: Tochter Christina (geb. 1968), genannt „Tinta“.

Der dritte (und letzte) Ehemann wird 1977 der 15 Jahre jüngere Paul Rudolf Freiherr von Schell zu Bauschlott (85). Die Ehe mit dem Baron aus einer österreichisch-ungarischen Adelsfamilie hält bis zum Tod der Künstlerin.

Mit jeder Ehe wechselt Hildegard Knef auch ihre Staatsbürgerschaft. Als Deutsche geboren wird sie zunächst Amerikanerin, dann Engländerin, ab 2001 wieder Deutsche.

In all den Jahren gelangen der Schauspielerin auch atemberaubende Karrieresprünge. Hildegard Knef spielt die Hauptrolle in „Die Sünderin“ und ist in diesem Film wenige Sekunden nackt zu sehen, was 1950 einen Skandal auslöst. In Hollywood spielt sie an der Seite von Gregory Peck und Ava Gardner in „Schnee am Kilimandscharo“. Weil ihr Herz so sehr für die Bühne schlägt, erobert sie 1955 den Broadway mit Cole Porters Musical „Silk Stockings“. In dieser Zeit wird die legendäre Marlene Dietrich ihre Mentorin, Moderberaterin und Freundin.

Ihre zweite Karriere als Sängerin

Zurück in Deutschland beginnt die zweite Karriere – als Sängerin. Sie filmt zwar noch, doch das Publikum nimmt sie nun als Chansonette wahr. Mit ihrer herben, rauchigen Stimme setzt sie neue Maßstäbe.

Die meisten Songs verfasst sie selbst, darunter zum Beispiel: „Mit 16, sagte ich still: Ich will, will groß sein, will siegen, will froh sein, nie lügen. Mit 16 sagte ich still: Ich will, will alles oder nichts: Für mich soll′s rote Rosen regnen, mir sollten sämtliche Wunder begegnen. Die Welt sollte sich umgestalten und ihre Sorgen für sich behalten.“ Es wird 1968 ein Über-Hit. Bis 1999 besingt sie 17 Studioalben.

Auch ihre Bücher werden ein Erfolg

Dann veröffentlicht sie 1970 ihr Buch „Der geschenkte Gaul“, der Bestseller wird in 17 Sprachen übersetzt. Es ist eine autobiografische Halbzeitbilanz. In ihren Büchern thematisiert Hildegard Knef ihre körperliche und seelische Befindlichkeit inklusive der Defizite und kommt zu dem Schluss: „Ich habe mehr überlebt als gelebt.“ Sie schreibt über 60 Operationen (vom Nasenbeinbruch durch Schläge der Mutter bis zum Gewehrkolbenschlag eines Sowjetsoldaten) und verfasst über ihre Krebserkrankung das Buch „Das Urteil“.

Zudem leidet sie an einem Lungenemphysem, an dem sie letztendlich stirbt. Eine Folge ihrer maßlosen Raucherei. Auch das hat bei der Knef eine gewisse Zwangsläufigkeit: Der Vater war Prokurist einer Zigarettenfabrik, die Mutter betrieb einen Zigarrenladen, die Tochter rauchte wie ein Schlot. Zwei Jahre vor ihrem Tod hört sie damit auf, doch da ist es schon zu spät.

Von ihren Millionen blieb nichts übrig

Hildegard Knef, dieser einzigartige Multistar, stirbt am 1. Februar 2002 – arm wie eine Kirchenmaus. Schon vor ihrem Tod gab es Gerüchte über finanzielle Schwierigkeiten. Dann bekennt der Witwer Paul von Schell: „Wir sind pleite!“ Von den vielen Millionen, die sie mit Filmen, Schallplatten, Büchern, Konzerten und Tourneen verdient hat, ist nichts geblieben. Von untreuen Managern ist die Rede, von immens hohen Arzt- und Klinikkosten, von Hildes laxem Umgang mit Geld. Die „Welt“ berichtet, dass zuletzt Freunde Finanzspritzen gaben, Kollegen Spenden gesammelt haben. „Einmal musste sogar die Sozialhilfe einspringen, die Miete vorstrecken.“

Sie wird in einem Ehrengrab der Stadt Berlin auf dem Waldfriedhof Zehlendorf bestattet. An diesem Wintertag regnen tatsächlich 1.000 rote Rosen nieder.

(ln/obr/spot)

Bild: Hildegard Knef prägte Film, Chanson und Zeitgeist wie kaum eine andere. / Quelle: ddp/ United Archives

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