Was passiert, wenn einen die eigene Vergangenheit einholt? Genau das wird im neuen ZDF-Zweiteiler „Im Netz der Camorra“ (6. und 7. September, jeweils um 20:15 Uhr) thematisiert. Schauspieler Tobias Moretti (62) verkörpert im packenden Thriller den Weingutsbesitzer Matteo DeCanin, der in Südtirol mit seiner Frau und Tochter ein glückliches Leben führt. Doch eines Tages taucht Matteos alter Bekannter Nino Sorrentino (Fabrizio Romagnoli) bei ihm auf und stürzt sein Leben ins Chaos. Denn der heutige Familienvater muss sich seiner dunklen Mafia-Vergangenheit stellen.
Tobias Morettis Tochter stand für den Thriller das erste Mal zusammen mit ihrem Vater vor der Kamera: Antonia Moretti (23) spielt Laura DeCanin, das einzige Kind von Matteo. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news spricht der ehemalige „Kommissare Rex“-Star über die Zusammenarbeit mit seiner Tochter und seine Leidenschaft für gutes Essen. Außerdem verrät Moretti, wie sich das Leben auf seinem Bio-Berghof während der Corona-Krise verändert hat und warum der bekennende Umweltschützer „nicht viel von Elektromobilität“ hält.
Sie spielen die Hauptrolle in dem ZDF-Zweiteiler „Im Netz der Camorra“. Was haben Sie sich als erstes gedacht, als Sie das Drehbuch gelesen haben?
Tobias Moretti: Das war eine längere Entwicklung und ich war von Anfang an involviert. Die Geschichte und die Grundkonstellation der Figur hat mich gleich gepackt und fasziniert. Nicht nur, weil sie mit ihrer Ansiedlung in Südtirol meiner geografischen Mentalität entgegenkommt. Auch weil es eine archaische Geschichte ist und mir bewusst war, dass man sie besonders erzählen muss. Angesichts der Kulisse, die zu touristischen Klischees verführen könnte, war es wichtig, die Geschichte dennoch hart zu erzählen. Wir hatten Glück, dass aufgrund der besonderen Situation im letzten Jahr Regisseur Andreas Prochaska verfügbar war. Mit ihm haben wir die Geschichte noch einmal ganz neu aufgestellt.
Haben Sie sich vor dem Film mit dem organisierten Verbrechen in Italien beschäftigt?
Moretti: Das Problem der italienischen Mafia ist meiner Generation natürlich seit den 80er Jahren gegenwärtig, mit der russischen oder chinesischen habe ich mich weniger beschäftigt. Gab es aber vielleicht bei der italienischen Mafia noch Reste von Gesellschaftskultur, ist es bei der chinesischen oder russischen Mafia nur brutal. Aber das war weniger das Thema. Die Geschichte ist für mich ein Familiendrama und erst in zweiter Linie ein Mafia-Film. Das Existentiellste eines Menschen ist letztendlich die Familie, wenn er Glück hat. Wenn er Pech hat, ist er der eigenen Familie fremd.
Sie standen für den Zweiteiler zusammen mit Ihrer Tochter Antonia vor der Kamera. Wie war es für Sie, gemeinsam zu drehen?
Moretti: Es war nicht anders als mit anderen Kollegen. Ich könnte auch keinen Unterschied machen. Der Kameramann hat Antonia empfohlen und sie hat beim Casting überzeugt. Zunächst sah es danach aus, dass sie wegen des Studiums keine Zeit hätte. Sie studiert Physio-Medizin. Beim Dreh hat sie mich dann erstaunt und beeindruckt.
Haben Sie Ihr auch ein paar Tipps gegeben?
Moretti: Andreas Prochaska ist sehr genau und als junger Schauspieler muss man sich erst in diese Arbeitsweise hineinfinden und begreifen, dass einem nichts Besseres passieren kann. Ich habe mich in die Zusammenarbeit der beiden nicht eingemischt.
Finden Sie es gut, dass sie auch Schauspielerin ist?
Moretti: Ob sie hauptberuflich Schauspielerin wird, ist nicht klar. Erst einmal wird sie Physio-Medizinerin. Sie liebt es, zu spielen, aber ihr ist das Studium genauso wichtig. Sie hat auch Jazzgesang in New York studiert. Ich weiß nicht, was ihr das Leben bringt. Mit 23 Jahren steht einem die Welt offen.
Die Geschichte spielt auf einem Weingut in Südtirol. Sieht so Ihr perfekter Urlaub aus?
Moretti: In diesem Fall war es mein Arbeitsplatz. Ich habe das Weingut bereits während der Planung immer wieder besucht, damit ich in diese Welt eintauchen konnte. An so einem Ort zu drehen entspricht mir insofern, als dass ich Arbeit und Leben nicht trenne.
Sind Sie auch ein Weinliebhaber?
Moretti: Ja, sicher. Ich „kenne“ Wein, weil ich ihn gern trinke. Aber mittlerweile ist der Weinanbau eine eigene Welt, eine Wissenschaft und unterliegt bestimmten Gesetzen. Natürlich ist er auch ein Wirtschaftsfaktor, der Handel mit Spitzenweinen boomt.
Wie wichtig ist Ihnen gutes Essen?
Moretti: Mir ist wichtig, dass das alltägliche, einfache Essen etwas Besonderes ist. So beginnt Lebenskultur und so habe ich das auch von daheim mitbekommen. Das heißt, dass man nicht nur gern isst, sondern auch kochen kann. Außerdem darf gutes Essen keine Parallelwelt für Spitzenverdiener sein, es muss zum Alltag gehören.
Stellen Sie sich selbst auch an den Herd?
Moretti: Ja, sicher. Aber ich bin nicht mehr so geübt. Früher war ich sehr ambitioniert. Aber jetzt traue ich mich nicht mehr so, weil meine Frau so gut kocht. Ich habe nur noch meine Spezialgerichte wie Risotto oder Paste fresche. Was mich bei meiner Frau fasziniert: Mein Onkel und noch ein paar andere Leute kommen um 12:00 Uhr unangemeldet vorbei und plötzlich sind wir zu siebt oder zu acht. Um 12:35 Uhr steht ein zweigängiges Menü auf den Tisch. Das finde ich spannender als dieses bewusste, bildungsbürgerliche: „Heute kochen wir mal richtig.“ Ich finde es einfach schön, wenn es etwas Normales hat. Und das hat nichts mit Geld zu tun. Gutes Essen beziehungsweise ein kultiviertes Leben darf niemals eine elitäre Sache werden.
Seit einigen Jahren betreiben Sie einen Bio-Berghof in der Nähe von Innsbruck. Hat sich dort durch die Corona-Krise etwas verändert?
Moretti: Das Leben und die Arbeit haben sich verdichtet. Auch familiär war es einfach eine besondere Zeit. Viel Arbeit, viel gemeinsam gemacht. Alle haben mitgeholfen und hatten Freude daran.
Sie setzen sich für Umweltschutz ein. Was tun Sie privat, um nachhaltig zu leben?
Moretti: Das Bewusstsein ist das Wichtigste. Ich halte nichts davon, wenn man die Welt groß theoretisch umkrempelt. Die kleinen Dinge sind entscheidend. Ich halte auch nicht viel von Elektromobilität, deren ökologische Bilanz auch nicht gerade gut ist. Wir tun so, als hätte die ganze Welt plötzlich unbegrenzt Strom zur Verfügung. Das stimmt nicht. Gesellschaften und politische Entscheidungsträger müssen aufpassen, dass sie sich nicht selbst belügen. Ein kleiner Euro-6-Diesel ist umweltverträglicher als ein großer Tesla, in dessen Batterie eine Menge Lithium steckt. Allgemein braucht kein Mensch tonnenschwere SUVs.
Was sollte Ihrer Meinung nach passieren?
Moretti: Ich denke, man darf nicht aufhören nach alternativen Brennstoffen und Energieformen zu suchen, statt dass wir uns völlig verblödet in unser nächstes Dilemma und in Abhängigkeiten hineinmanövrieren. Es ist die Vernunft der kleinen Schritte und nicht der großen Theorie.