„Ferdinand von Schirach – Glauben“: Ein fesselndes Justiz-Drama

„Ferdinand von Schirach – Glauben“: Ein fesselndes Justiz-Drama

Mit einer Krimiserie feiert Schriftsteller Ferdinand von Schirach (57) sein Debüt als Drehbuchautor. „Ferdinand von Schirach – Glauben“ ist ein fesselndes Drama, das von wahren Geschehnissen inspiriert ist. Die siebenteilige Serie behandelt die Wormser Missbrauchsprozesse der 90er Jahre – eines der größten Justizskandale Deutschlands – und verlegt sie in die heutige Zeit. Peter Kurth (64) schlüpft in die Rolle von Strafverteidiger Schlesinger, der im Fokus der Geschichte steht. In einem Prozess um Kindesmissbrauch soll er einen der angeklagten Männer verteidigen und wird dafür angefeindet. Kurth beweist seine Fähigkeit als brillanter Charakterdarsteller und fesselt den Zuschauer mit seiner Performance an den Bildschirm. Bis es zum eigentlichen Prozess vor Gericht kommt, dauert es jedoch eine Weile…

In der Kleinstadt Ottern findet ein Arzt bei der Untersuchung eines Mädchens Spuren, die auf eine Vergewaltigung hindeuten – der Beginn eines großen Missbrauchsprozesses. Der übermotivierte Staatsanwalt Cordelis (Sebastian Urzendowsky, 36) erhebt schließlich Anklage gegen 26 Kleinstadtbewohner, die beschuldigt werden, einem Kinderpornografiering anzugehören. Die Anklage wird von Kinderschützerin Ina Reuth (Katharina Marie Schubert, 44) gestützt, die alle betroffenen Kinder zuvor befragt hat.

Darum geht es in „Glauben“

Die ersten Folgen der Miniserie kümmern sich vor allem darum, den vom Leben gezeichneten Anwalt Dr. Schlesinger vorzustellen und seinen Charakter zu skizzieren. Vor einigen Jahren verstarb Schlesingers Frau. Er begann daraufhin regelmäßig zu trinken und flüchtete sich ins Glücksspiel, wo er über die Jahre hohe Schuldensummen anhäuft. Eines Tages besucht ihn Azra (Narges Rashidi, 41). Die Geldeintreiberin der chinesischen Mafia verprügelt ihn und fordert Geld. Als Anwalt tritt Schlesinger nur noch als Pflichtverteidiger in Erscheinung. Als er eine Frau verteidigen soll, wirkt er im Gerichtsaal zunächst lustlos, doch die Leidenschaft, für Recht und Ordnung zu sorgen, lässt ihn nicht los. Schließlich gewinnt er den Prozess für seine Mandantin.

Bei einem erneuten Besuch Azras bittet sie Schlesinger, einen der 26 Angeklagten im Kindesmissbrauchsprozess zu verteidigen. Widerwillig nimmt er den Fall an und reist nach Ottern, wo die Stimmung gegen die mutmaßlichen Kinderschänder bereits aufgeheizt ist. Bewohner der Kleinstadt haben sich ihre Meinung gebildet, fordern sogar die Einführung der Todesstrafe. Schlesinger muss sich mit Anfeindungen gegen sich selbst auseinandersetzen. Diese finden jedoch keine größere Aufmerksamkeit in „Glauben“. Viel mehr beleuchtet die Serie, Schlesingers Engagement, zu zeigen, dass die deutsche Justiz ihre Daseinsberechtigung hat. Nicht die Mehrheit aufgeheizter Menschen darf über das Schicksal der Angeklagten entscheiden. Deshalb lässt sich der Anwalt wenig von der tobenden Meute und dem Staatsanwalt, der sich einen Höhenflug seiner Karriere erhofft, beeinflussen und entwickelt eine Verteidigungsstrategie. Geldeintreiberin Azra versorgt ihn dabei stets mit Informationen, die sie nicht immer auf legalem Weg beschafft.

Bis zum eigentlichen Prozess braucht die Miniserie eine Weile

Ganze sechs Folgen dauert es, bis es zum eigentlichen Prozess kommt. Doch das bedeutet nicht, dass der Weg dahin nicht fesselnd ist. Vielmehr wird deutlich, mit welcher Leidenschaft Schlesinger den Fall aufdeckt. In den Akten stößt er auf Widersprüche. Er spricht mit Kriminalhauptkommissarin Laubach (Désirée Nosbusch, 56) und versucht herauszufinden, warum ihr die Ermittlungen zu dem Fall entzogen wurden.

Bei der Verteidigung im Gerichtssaal konzentriert Schlesinger sich dann vor allem darauf, an der Glaubwürdigkeit von Kinderschützerin Ina Reuth zu zweifeln. Zudem präsentiert er die Ungereimtheiten, die ihm beim Studieren aller Akten aufgefallen sind.

Fazit

„Ferdinand von Schirach – Glauben“ transportiert den Wormser Missbrauchsskandal der 90er in die heutige Zeit. Damals wurden nach 300 Verhandlungstagen, Untersuchungshaft und Vorverurteilungen alle 25 Angeklagte freigesprochen. Die Serie beleuchtet, wie sich die Wut von unbeteiligten Personen auf einen öffentlichkeitswirksamen Fall auswirken.

Vor allen Dingen wird deutlich, wie solch ein Prozess in Zeiten von Twitter, Facebook und Instagram aussieht. „Glauben“ konzentriert sich darauf, zu zeigen, dass Vorverurteilungen im Netz einen enormen Schaden anrichten, Gerichte, Anwälte und die Polizei beeinflussen und zu erschreckenden Irrtümern führen können. Im Kontrast zum wütenden Mob steht Strafverteidiger Schlesinger. Als Vertreter des Gesetzes versucht er mit seiner Beharrlichkeit stets darauf zu pochen, das deutsche Grundgesetz zu wahren und sich von Vorverurteilungen nicht beeinflussen zu lassen.

Zuschauer bekommen mit „Glauben“ einen anderen Blick auf einen Missbrauchsprozess, der nicht die Opfer oder die Täter in den Mittelpunkt stellt. Es befasst sich damit, zu beweisen, wie wichtig die Unschuldsvermutung und die anschließende Wahrheitsfindung für ein abschließendes Urteil ist. Bis zum finalen Prozess bleibt die Miniserie spannend und wird Fans von Kriminal-Dokus und -Podcasts mehr als gerecht.

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