Diane (42) und Reinhold Messner (78) haben ein gemeinsames Buch verfasst. In „Sinnbilder. Verzicht als Inspiration für ein gelingendes Leben“ (erscheint am 28. September, S. FISCHER) geben sie unter anderem einen Einblick in ihre Beziehung und ihr Leben auf Schloss Juval in Südtirol. Die gebürtige Luxemburgerin Diane Messner, die den berühmten Bergsteiger 2018 bei dem Besuch eines seiner Museen kennengelernt hat und seit 2021 mit ihm verheiratet ist, erzählt in ihrem Teil des Buches über ihren ganz eigenen Blick auf ihren Mann.
Im Doppelinterview mit der Nachrichtenagentur spot on news verrät sie, warum das Leben mit ihm ein „Abenteuer“ ist und warum der Altersunterschied für sie keine Rolle mehr spielt. Zudem erklärt Reinhold Messner, der vor 42 Jahren den Mount Everest als erster Mensch ohne Sauerstoff und solo erklommen hat und sich heute in eigenen Museen, Vorträgen und Filmen der Geschichte des Bergsteigens widmet, wie er mit dem Altern umgeht und was er sich für die Zukunft wünscht.
Frau Messner, warum war es Ihnen ein Anliegen, Ihren Blick auf Ihren Mann in einem Buch festzuhalten?
Diane Messner: Reinhold ist meine Inspiration und ich seine Motivation. Das wollte ich mit Menschen teilen und etwas über unseren Alltag, über die Liebe und den Verzicht erzählen. Mir war wichtig, dass die Leser einen neuen, differenzierten Blick auf Reinhold Messner bekommen. Neben dem Extrembergsteiger, Kletterer und Abenteurer ist er auch Familienmensch und Ehemann.
Sie sagen, das Leben mit Ihrem Mann ist eine Herausforderung und ein Abenteuer. Inwiefern?
Diane Messner: Er ist streng mit sich selbst und mit anderen. Werte wie Pünktlichkeit oder Verlässlichkeit sind ihm wichtig, er ist ein vorsichtiger und zum Pessimismus neigender Mensch. Ich bin spontaner und optimistischer eingestellt. Außerdem lobt er selten. Er bekommt sein Lob von außen, ihm fehlt es also nicht. Aber es ist menschlich, hören zu wollen, wenn man etwas gut gemacht hat, um einen Richtwert zu haben. Das sind die Herausforderungen, mit denen ich umgehen muss. Das erste Jahr war sehr schwierig, weil ich auch nicht wusste, was seine Bedürfnisse sind, was ihm wichtig ist, was nicht. Zum Beispiel ist ihm eine Struktur, seine Struktur, wichtig. Wir mussten eine gemeinsame Basis, eine gemeinsame Sprache finden. Schon allein aufgrund des Altersunterschieds. Beide haben wir an dieser Beziehung gearbeitet. Wir haben gelernt, uns zu ergänzen und unsere jeweiligen Stärken ineinander fließen zu lassen.
Ihr Umfeld hat unterschiedlich auf Ihre Beziehung reagiert. Wie hat Sie das beeinflusst?
Diane Messner: Es ist nicht mehr relevant für mich, was Menschen über unsere Beziehung denken. Es gibt Momente, wo es zum Thema wird, zum Beispiel wenn wir auf dem Schloss sind, und ich angesprochen werde mit: „Es war doch bestimmt toll, hier als Kind zu spielen.“ Meistens sage ich nichts und lache darüber, es verletzt mich nicht mehr. Am Anfang war ich es nicht gewohnt, Kritik für meinen Beziehungsstatus zu bekommen, ich war 20 Jahre verheiratet mit einem Partner, der nur sechs Jahre älter war. Heute lieben Männer Männer, Frauen Frauen, doch wenn eine junge Frau einen älteren Partner hat, ist das noch immer für viele fremd. Dieses Klischee-Denken war verletzend. Mittlerweile ist das kein Thema mehr, für uns beide nicht. Die Leute, die uns kennenlernen, merken schnell, dass nichts hinter diesem Klischee steckt. Vor allem weil Reinhold sein Erbe bereits vor unserer Ehe verteilt hat und sein Vermögen in anderer Hand liegt.
Sie sprechen darüber, dass Sie eigenständige Personen sein wollen, die als Team gut funktionieren. Inwiefern erhalten Sie sich diese Eigenständigkeit?
Diane Messner: Indem ich mir selbst eine sinnvolle und wirtschaftliche Aufgabe stelle, und dieser auch nachgehe. Diese Eigenständigkeit hatte ich vor Reinhold und werde sie auch nach Reinhold haben. Das ist mir eine absolute Priorität. Ich habe meine festen Tätigkeiten im Alltag genauso wie im Büro, da lasse ich mir nicht reinreden und Reinhold auch nicht. Wir geben uns den nötigen Freiraum und keiner diktiert dem anderen, was er zu tun oder zu lassen hat. Unsere Aufgabenverteilung passiert wortlos. Jeder macht die Sachen, die er gut kann. Von Anfang an begegneten wir uns auf Augenhöhe.
Zum Thema Altern: Gerade für Sportler ist es oft schwierig, wenn gewisse Dinge einfach nicht mehr so gehen wie früher. Herr Messner, wie gehen Sie damit um?
Reinhold Messner: Ich habe schon lange aufgegeben, dort anzuknüpfen, wo ich einmal war. Mit 25 habe ich das erste Mal etwas aufgehört, nämlich extrem zu klettern, weil ich es nach dem Verlust meiner Zehen nicht mehr konnte wie vorher. 2004 habe ich das letzte Mal eine große Wüste durchquert, das ist auch bald 20 Jahre her. Ich habe in meinem Leben immer wieder Neues gemacht, habe mich neu erfunden. Ich habe immer wieder neue Herausforderungen gefunden, die mich ausgefüllt haben. Als ich eine Vision, eine Herausforderung ausgeschöpft hatte, habe ich etwas ganz anderes gewagt. Ich war 75, als wir mit dem Messner Mountain Heritage ein Start-up gegründet haben. Diane hat mich dazu motiviert. Unter dem Motto „Final Expedition“ versuchen wir mit Veranstaltungen das traditionelle Bergsteigen um die Welt zu tragen. Damit habe ich noch einmal die Möglichkeit, mich ganz neu zu zeigen, zu präsentieren und das traditionelle Bergsteigen auf die Bühne zu tragen.
Diane Messner: Reinhold besitzt die Fähigkeit, sich dem Alter anzupassen. Er trauert seiner Leistungsfähigkeit, die er früher am Berg hatte, nicht hinterher. Im Aufstieg ist er noch immer schneller, aber auf der Geraden bin ich es und das ist auch vollkommen in Ordnung (lacht).
An was arbeiten Sie gerade noch gemeinsam?
Reinhold Messner: Wir machen im Rahmen von Messner Mountain Heritage auch ein Museum für die Sherpa in Nepal. Wir helfen damit der lokalen Bevölkerung ihre Geschichte zu erzählen, die sehr interessant ist und kaum jemand kennt. Wir hoffen, es wird nächstes Jahr eingeweiht. Und wir möchten unter Umständen mehrere solcher Objekte aufbauen, die nicht mehr vom Verhältnis Mensch Berg, sondern von ganzen Berggebieten erzählen, mit den Menschen und der Geographie.
Frau Messner, Sie erzählen, dass Sie auch oft über den Tod sprechen. Haben Sie durch Ihren Mann einen anderen Blick darauf bekommen?
Diane Messner: Wir leben in einer Gesellschaft, wo das Sterben, der Tod oft als Tabuthema gilt. Er gehört unweigerlich zum Leben. Wir werden geboren und gehen ab dem Moment dem Sterben entgegen. Sterben ist etwas Selbstverständliches. Viele haben nicht Angst vor dem Tod, sondern vor dem Sterben, weil man nicht weiß, wie und wann es passieren wird. Diese Unbekannte macht Angst. Über den Tod sprechen Reinhold und ich oft und so ist er stets präsent und uns beiden bewusst. Wenn man jung ist, denkt man vielleicht nicht oft an die eigene Vergänglichkeit, anders wenn man einen älteren Partner hat. Und wenn Reinhold mal einen schlechten Tag hat, schau ich schon mal drüber hinweg und denke mir, dass es gar nicht so wichtig ist (lacht). Diese Nichtigkeiten verlieren sich beim Gedanken an die Vergänglichkeit des Lebens. Die Zeit mit unseren Lieben ist sehr kurz, daher sollten wir sie sinnvoll und intensiv leben.
Reinhold Messner: Die Lebenszeit des Menschen ist generell sehr kurz. Wenn man in Afrika an Hügelgräbern vorbeikommt, die vielleicht 40.000 Jahre alt sind und von den Menschen, die dort begraben sind, nichts bekannt und nichts geblieben ist, wird alles relativiert. Am Ende bleibt von uns nichts. Früher oder später verlieren wir uns alle. Die Erde ist unser Habitat. Solange wir einigermaßen vernünftig sind und Technologien entwickeln, um Fehler zu korrigieren, werden wir sie bewohnen können. Aber die Menschheit ist nicht auf Ewigkeit angelegt, davon bin ich überzeugt.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Reinhold Messner: Wir beide leben positiv in die Zukunft, schauen nicht zurück. Nicht auf den Erfolg, der einmal war, genießen das gelingende Leben im Hier und Jetzt. Ich hoffe, dass uns das treu erhalten bleibt. Eine schlimme Krankheit in meinem Fall oder sogar der Tod, wird für Diane eine ganz neue Situation heraufbeschwören, aber mit diesem Wissen leben wir, das sind die Fakten. Wir haben gerade meine alte Berghütte wieder hergerichtet, die für mich an einem der schönsten Plätze dieser Welt steht. Unser Rückzugsort. Ich hoffe, wir können dort noch lange gemeinsam Zeit verbringen.
Ihren 78. Geburtstag haben Sie erst kürzlich gefeiert. Was bedeutet die Zahl für Sie?
Reinhold Messner: Ich habe kein Problem damit. Mir ist es wichtig, dass ich immer noch die Kraft habe, Ideen zu entwickeln, aus diesen Ideen Projekte zu machen und diese auch umzusetzen. Denn nur ein Luftschloss zu entwerfen, ist meine Sache nicht. Eine Vision oder ein Projekt nach einer Woche wieder fallen zu lassen, kann ich nicht. Mir geht es um das Umsetzen. Die Idee ist wichtig, aber sie dann zu einer Tatsache zu machen, ist das Wichtige. Und das machen wir jetzt gemeinsam.