Erst in den späten 90er-Jahren zu Weltruhm gekommen, doch in Italien schon lange eine Ikone: Roberto Benigni wird 70 Jahre alt und blickt auf eine bewegte Karriere zurück. Nach seinen Anfängen beim alternativen Theater präsentierte der Schelm sich in den 1970ern erstmals einem größeren Publikum als Darsteller in der Serie „Televacca“. Sein Regiedebüt feierte er 1983 mit „Tu mi turbi“. Seitdem trat er im Wechsel als Schauspieler, Autor und Regisseur auf, manchmal sogar alles auf einmal. International wirklich wahrgenommen wurde Benigni das erste Mal in Jim Jarmuschs (69) „Down by Law“ (1986). Darin tritt er als Versöhner zweier Knastbrüder auf.
In „Das Leben ist schön“ (1997) spielte er die Hauptrolle, arbeite am Drehbuch mit und führte Regie. Das Werk erhielt 1999 den Oscar als bester fremdsprachiger Film, für die beste Musik eines Dramas und den besten Hauptdarsteller. Die Tragikomödie handelt vom jüdischen Italiener Guido Orefice, der mit seiner Familie zur Nazi-Zeit in ein Konzentrationslager gebracht wird. Er versucht, seinen vierjährigen Sohn Giosuè von den dortigen Schrecken fernzuhalten. Dazu erklärt er dem Jungen, alles sei nur ein kompliziertes Spiel. Der Kleine müsse artig mitmachen, um am Ende einen Panzer zu gewinnen.
„Das Leben ist schön“ basiert zum Teil auf Erfahrungen seines Vaters
Benignis Vater Luigi verbrachte von 1943 bis 1945 zwei Jahre im KZ Bergen-Belsen und teilte seine Erfahrungen für den Film mit seinem Sohn. Insofern ist die Tragikomödie wohl auch Benignis persönlichstes Werk. Wie in vielen seiner Produktionen spielt er in „Das Leben ist schön“ an der Seite seiner Ehefrau Nicoletta Braschi (62), die im Film Guidos Gattin mimt.
Seine emotionale Dankesrede zum Gewinn des Oscars als bester fremdsprachiger Film widmete er Braschi. Der Filmstar, der in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen war, bedankte sich auch bei seinen Eltern, die ihm „das Geschenk der Armut“ gemacht hätten. „Ohne sie wäre ich heute nicht hier“, so Benigni 1999. Unvergessen auch der Moment, als er zuvor glückstrunken über die Sitze seiner Vorderleute gestiegen war, ehe er auf die Bühne und in die Arme von Laudatorin Sophia Loren (88) sprang.
Der Goldjunge als bester Hauptdarsteller war derweil nicht nur für Benigni etwas ganz Besonderes, sondern auch für die Geschichtsbücher: Er wurde damit für alle Ewigkeit zum ersten nicht-Englisch sprechenden Schauspieler, dem diese Ehre zuteil wurde. Seine zweite Dankesrede des Abends fiel ebenso liebenswert wie seine erste aus: „Das ist ein schrecklicher Fehler! Ich habe schon mein gesamtes Englisch aufgebraucht!“
Politisches Engagement und Debatte um seine Person
Der Schauspieler mit dem ansteckenden Lachen engagierte sich neben seiner filmischen Laufbahn auch lange stark politisch. Seine Umarmung des kommunistischen Parteiführers Enrico Berlinguer (1922-1984) 1983 ging in die Geschichte ein. Vor allem gegen den langjährigen Präsidenten Silvio Berlusconi (86) positionierte sich Benigni häufig.
Nach und nach fuhr er diese Bemühungen aber zurück, wofür er seitens des linken Parteienspektrums einige Kritik einstecken musste. „Es stimmt schon, dass ich mich seit einiger Zeit eher heraushalte aus der Tagespolitik. Aber das ist ein Zeichen wachsender politischer Reife“, sagte er etwa 2003 dem „Stern“ dazu. „Ich will mich nicht mehr von bestimmten Leuten zu bestimmten Statements ‚erpressen‘ lassen. Als Künstler habe ich eher eine moralische Aufgabe, nämlich den Menschen Schönheit, Poesie, Gefühle zu vermitteln. Darin liegt die stärkste revolutionäre Kraft.“
Filmemacher kann sich nicht nachhaltig international durchsetzen
Der kindlich-naive, teilweise alberne Humor des Filmemachers kam nicht immer gut an. Nach „Das Leben ist schön“ tat sich Benigni schwer, international erfolgreich zu sein. „Robert Benignis Pinocchio“ floppte 2002 in den USA, kam dort nicht einmal in die Kinos. Der Meister selbst erklärte das auch mit dem schlechten Schnitt und der schwachen Synchronisation dort: „Das hat ihm geschadet.“ Gleichzeitig stellte er stets klar, sich nicht anbiedern zu wollen: „Ich bin stolz auf diese Andersartigkeit, denn sie macht den kulturellen Reichtum unserer Gesellschaft aus. Jedenfalls habe ich nie auf den US-Markt geschielt: Mein Pinocchio ist eine Antifigur zum Disney-Pinocchio, den die Amerikaner so lieben.“ 2019 trat Benigni in Matteo Garrones (54) „Pinocchio“ als Geppetto auf, seine bislang letzte Filmbeteiligung.
Bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig 2021 erhielt die Frohnatur aus der Toskana – trotz einiger Rückschläge – den Goldenen Löwen für sein Lebenswerk. Man darf gespannt sein, welche Kapitel er diesem noch hinzufügen will.