Wie ein strahlender Held in schimmernder Rüstung sieht er nicht gerade aus, eher wie ein armer, alter Ritter. Wie einer, dem die Jahre übel mitgespielt haben. Eine wirre, graue Mähne fällt in ein zerfurchtes, meist ziemlich mürrisches Gesicht. So einer wie Bob Geldof hätte durchaus bei „Game of Thrones“ eine zwielichtige Charakterrolle spielen können. Am 5. Oktober wird er 70.
Prinz William: „Du bist ja ein gammeliger Mann“
Als er in den 80er-Jahren mal in den Buckingham Palast eingeladen war und mit dem Thronfolger Prinz Charles (72) beim Gespräch saß, kam dessen erste Frau Prinzessin Diana (1961-1997) mit ihren beiden Söhnen vorbei. Der älteste von ihnen, Prinz William (39), war damals vier oder fünf Jahre alt. Er marschierte schnurstracks auf Bob Geldof zu und sagte laut Buchautorin Sally Bedell Smith (73): „Du bist ja ein gammeliger Mann.“ Seine Eltern waren entsetzt, Diana verbot William sofort den Mund.
Da sah Bob Geldof noch wesentlich besser aus, aber auch schon ziemlich wild. Wie ein Rocker eben, der als Ritter des britischen Empires unterwegs ist. Mit der Gitarre statt mit dem Schwert. Die britische Königin Elizabeth II. (95) hatte ihn 1986 in den Adelsstand erhoben und zum Ritter geschlagen: Knight Commander of the Order of the British Empire – so lautet sein Titel.
„Saint Bob“
„Sir“ Robert Frederick Zenon, so seine Vornamen, durfte und darf er sich aber nicht nennen, denn das ist nur den geadelten Bürgern des Vereinigten Königsreichs von Großbritannien und Nordirland gestattet. Geldof ist jedoch Ire, geboren in Dún Laoghaire, einer kleinen Hafenstadt im Süden von Dublin. Seine Freunde nennen ihn trotzdem „Sir Bob“ oder auch „Saint Bob“, denn dieser Ritter gilt auch als Heiliger.
Das hat nichts mit seiner musikalischen Berufung zu tun, sondern mit seiner Bestimmung als Wohltäter. Bob Geldof ist in erster Linie in die Rockgeschichte als Initiator von „Live Aid“ eingegangen, das weit über 100 Millionen Dollar gegen den Hunger in Afrika gesammelt hat. Das wiederum wäre ohne die Rockmusik nicht möglich gewesen, aber der Reihe nach.
Es ist ein filmreifes Leben, mit vielen mehr oder minder dramatischen Höhepunkten, die an der Substanz zehren können. Angefangen hatte alles im Straßenbau von Dublin. Bob Geldof fuhr schwere Lastwagen, und wurde von seiner Firma nach Kanada geschickt, wo er in der Nähe des Polarkreises bei der Suche nach Goldvorkommen tätig sein sollte, wie er in einem Interview mit dem „Spiegel“ verriet. „In Vancouver habe ich mich aber abgesetzt und versucht, an eine Aufenthaltsgenehmigung zu kommen. Bei der Behörde habe ich frech gelogen, ich sei Journalist.“
Also wurde er Musikjournalist und machte Interviews mit Stars wie Lou Reed (1942-2013), George Harrison (1943-2001), Elton John (74) und Eric Clapton (76). Die Aufenthaltsgenehmigung bekam er trotzdem nicht, die Behörden schickten ihn zurück nach Dublin, wo er für die Magazine „Melody Maker“ und „New Musical Express“ schrieb. Weil er sich aber immer als Musiker verstanden hatte, gründete er nebenher die Band Nightlife Thugs, für die er sang und Texte schrieb.
Kultstatus mit den Boomtown Rats
Dann zog er um nach London, um an einen Plattenvertrag zu kommen. Dort war die Punkwelle voll im Gange. Geldof nannte seine Band nun Boomtown Rats, wie man die Arbeiter auf amerikanischen Ölfeldern bezeichnet. Er lernte die anderen Stars der Szene kennen, freundete sich unter anderem mit Sting (70) an, war mit Eric Clapton und Phil Collins (70) für Amnesty International aktiv – und hatte mit seiner Musik großen Erfolg. Die Boomtown Rats wurden zu einer Kultband.
1979 landete er mit „I Don’t Like Mondays“ einen Welthit. Der Song erzählt eine wahre Horrorgeschichte: Bob Geldof war gerade bei einer Promotionstour durch die USA, er gab bei Radiostationen Interviews als die Meldung kam, in San Diego habe an einem Montag ein Mädchen (16) eine Schule überfallen und mit einem Gewehr, das ihr der Vater zu Weihnachten geschenkt hatte, den Schulleiter sowie den Hausmeister erschossen. Auf die Frage nach dem Motiv habe das Mädchen geantwortet: „Ich kann Montage nicht ausstehen.“
Eine andere wahre Horrorstory animierte Geldof zum größten Projekt seines Lebens. Im Fernsehen sah er 1984 entsetzliche Bilder über die Auswirkungen einer Hungersnot in Äthiopien. Fortan beschäftigte ihn nur mehr eine Frage: Wie kann ich helfen? Er schrieb mit Midge Ure (67) von der Band Ultravox den Erfolgshit „Do They Know It’s Christmas“.
Danach hatte er den Einfall, mit dem Song eine Benefiz-Single mit anderen Stars zu produzieren. Der Erlös sollte an die Hungerhilfe gehen. Sting, Phil Collins, Bono (61), Duran Duran, Spandau Ballet und viele andere sagten sofort zu. Es wurde ein Nr.1-Hit.
Mit „Live Aid“ schrieb er Geschichte
Ein Jahr später folgte sein Meisterstück. Er gründete den „Band Aid Trust“ und mobilisierte alle großen Stars für sein Charity-Projekt. Die beiden zeitgleichen „Live-Aid“-Konzerte in London und Philadelphia wurden zum größten Musikspektakel aller Zeiten. Fast zwei Milliarden Menschen sahen die Live-Übertragung im Fernsehen. Umgerechnet kamen etwa 88 Millionen Euro an Erlösen für Afrika zustande.
Solche Mega-Auftritte wiederholte er 1989 und 2004. Und 2005 organisierte Bob Geldof das weltumspannende „Live 8“-Konzert im Londoner Hyde Park und gleichzeitig in Johannesburg, Paris, Berlin, Rom, Philadelphia, Tokio, Moskau und Barrie (Kanada). Sein humanitäres Engagement machte ihn mit Politikern und Staatsmännern bekannt, die Queen adelte ihn, er galt als Anwärter für den Friedensnobelpreis, für den ihn dann 2006 der norwegische Abgeordnete Jan Simonsen (1953-2019) vorgeschlagen hat.
Geldof lernte aber auch die Kehrseite seiner Popularität kennen. In einem Interview mit „Associated Press“ sagte er: „Ich durfte nicht zu meinem Job zurückkehren. Ich bin ein Popsänger. So verdiene ich mein Geld. Niemand war daran interessiert. Saint Bob durfte das nicht mehr, weil es so kleinlich und so bedeutungslos ist. Ich war verloren.“
Die tragische Kehrseite des Erfolgs
Bob Geldof beklagte auch, dass Live Aid „mein Privatleben völlig beeinflusst“ hat: „Es hat mich wahrscheinlich meine Ehe gekostet.“ Von 1978 bis 1996 war er mit der TV-Moderatorin Paula Yates (1959-2000) liiert. Dann verließ ihn seine Frau, weil sie im australischen Rocksänger Michael Hutchence (1960-1997) ihre neue Liebe fand. Der INXS-Frontmann wurde 1997 erhängt in einem Hotelzimmer in Sydney gefunden.
Dieser Suizid löste offenbar eine Lawine aus: Paula Yates bekam Depressionen und starb 2000 an einer Überdosis Heroin. Ihre (und Bob Geldofs) Tochter Peaches (1989-2014) hat den Tod der Mutter – da war sie elf – wohl nie verkraftet. 2014 wurde Peaches Geldof, 25 und Mutter von zwei Kindern, tot in ihrer Wohnung gefunden. Neben der Leiche saß der damals einjährige Sohn Phaedra. Die Obduktion ergab eine Überdosis Heroin.
„Dass sie für immer 25 sein wird, das ist in meinem Kopf fast unerträglich. Denn das Klischee stimmt: Keiner sollte seine Kinder sterben sehen“, sagte Bob Geldof in einem Interview mit dem irischen Sender RTE Radio 1. „Peaches ist jede Sekunde am Tag bei mir.“ Er fühle sich für ihren frühen Tod „mitverantwortlich“, denn er habe seit Jahren von ihrer Drogensucht gewusst.
Inzwischen hat Bob Geldof ein wenig Frieden gefunden. Seit 2915 ist er in zweiter Ehe mit der französischen Schauspielerin Jeanne Marine (55) verheiratet.