Der „Tatort“ hat sich schon in die Sommerpause verabschiedet, nun folgt der „Polizeiruf 110“: Die Folge „Black Box“ (3.7., 20:15 Uhr, das Erste) aus Magdeburg ist der letzte neue Sonntagskrimi bis zum Herbst. Haben sich die Verantwortlichen eine besondere Perle zum Finale ausgesucht? Kommissarin Brasch (Claudia Michelsen, 53) muss nach den traumatischen Erlebnissen der letzten Magdeburg-Ausgabe zurück in den Alltag.
Schafft sie das? Schauspielerisch überzeugt die gebürtige Dresdnerin Michelsen und füllt ihre Rolle mit viel Emotion und Leidenschaft. Kann das Drehbuch den hohen Ansprüchen genügen? Eines sei im Vorfeld verraten: Dieser „Polizeiruf 110: Black Box“ will in Summe leider zu viel, ist aber kein Totalausfall. Doch der Reihe nach…
Darum geht es im „Polizeiruf 110: Black Box“
Der 21-jährige Adam Dahl (Eloi Christ, 20) fährt nach einem Partywochenende in Berlin mit seinem Freund im Zug zurück nach Magdeburg. Die beiden sind glücklich und verliebt. Doch die Stimmung kippt schlagartig, als Christof Oschmann (Helge Tramsen, 49) zu dem jungen Paar ins Zugabteil steigt. Etwas wird in Adam ausgelöst – nicht genau zu benennen, wodurch. Aber es ist das, wonach Kriminalhauptkommissarin Doreen Brasch (Michelsen) später verzweifelt sucht – das, was man „Trigger“ nennt.
Adam Dahl erschlägt Oschmann. Später kann er nicht sagen, warum er das getan hat. Er weiß es einfach nicht. Er kennt den Mann noch nicht einmal – denkt er. Intuitiv spürt Brasch eine Verbindung zu Adam und möchte ihm helfen, die Wahrheit herauszufinden. Adams Vater, Klaus-Volker Dahl (Sven-Eric Bechtolf, 64), ehemaliger Direktor des Landeskriminalamtes, versucht, Einfluss auf Braschs Ermittlungen zu nehmen. Er und seine Frau (Corinna Kirchhoff, 64), eine bedeutende Psychologin, beteuern Adams Unschuld. Ist es wirklich nur die Liebe zweier Eltern, die ihren Sohn beschützen möchten? Wissen sie mehr, als sie sagen? Und was haben eine tote Prostituierte und ein totes Kind mit dem Fall zu tun?
Lohnt sich das Einschalten
Ja, irgendwie schon, aber: Dieser Film will in der Summe einfach viel zu viel. Amnesie, posttraumatische Belastungsstörung, Schuldunfähigkeit, Notwehrexzess, klaustrophobische Kommissarin kurz vor dem Nervenzusammenbruch, Suizid-Versuche, zurückliegende Morde, verstorbene Kinder, verzweifelte Eltern, drogenabhängige Mutter die sich prostituiert, zwielichtige Ex-Polizeichefs und Homophobie. Schauspielerisch ist „Black Box“ jedoch wunderbar gespielt und inszeniert.
Aber aus den unterschiedlichsten Ansätzen dieses „Polizeirufs“ hätte man getrost eine ganze Serie machen können. Die Macher versuchen sämtliche Handlungsstränge in 90 Minuten zu packen. Ein Versuch, der in weiten Teilen scheitert. Selten kann der Film eine Tiefe erreichen, die den tragischen Haupt- und Nebenfiguren gerecht werden würde. Ständig kratzt der Plot an der Oberfläche und hetzt weiter zum nächsten Schauplatz – bevor es interessant werden könnte. Im Laufe des Films verliert der Zuschauer zunehmend den Überblick: Was ist wichtig, wohin will dieser Polizeiruf überhaupt, worauf soll und darf man sich als Zuschauer konzentrieren?
Zugegeben: Gegen Ende gelingt es, mehr Struktur und Klarheit in die Handlung zu bekommen. Und zum Schlussakkord will etwas Spannung aufkeimen. Dennoch bleibt am Ende stehen: Weniger ist mehr – viel mehr. Hätte man die Hälfte der Fässer geschlossen gelassen, wäre ein grundsolider und starker Sonntagskrimi herausgekommen. So müssen die Zuschauer mit einem überfrachteten „Polizeiruf“ das Wochenende beenden und in die „Tatort/Polizeiruf“-Sommerpause eintreten.