Ein Spin-off zur herausragenden Serie „Breaking Bad“, in der die Vorgeschichte des schmierigen Anwalts Saul Goodman (Bob Odenkirk, 59) erzählt wird? Als diese Nachricht kurz nach dem Finale der Mutterserie 2013 die Runde machte, war die Skepsis selbst – oder gerade – bei eingefleischten Walter-White-Anhängern allgegenwärtig.
Doch wie schon als der Anwalt von Kleinkriminellen bis hin zu den Drogenbaronen Albuquerques bewies der gute alte Saul, dass er am besten ist, wenn alles gegen ihn spricht – und so wieselte er sich als „Held“ seiner eigenen Serie sogar zu einer Staffel mehr als der krebskranke Chemielehrer Walter (Bryan Cranston, 66). Am 16. August ist es nun gekommen: Nicht nur das Ende von Staffel sechs, sondern das Finale der gesamten Serie. Stolpert Jimmy „Saul“ McGill so kurz vor der Ziellinie noch über sein Ego? Oder heißt es sowohl für ihn als auch für das Spin-off am Ende „Saul Goodman!“ – „alles gut, Mann!“?
Achtung, es folgen Spoiler zum Ende von „Better Call Saul“
Die Verwandlung vom rechtschaffenen, aber erfolglosen Jimmy McGill in den opportunistischen Paradiesvogel, den wir aus „Breaking Bad“ kennen und lieben gelernt haben, fand schon einige Folgen zuvor ihren Abschluss. Daher kommt auch das knapp 70 Minuten lange Serienfinale größtenteils wieder in Schwarz-weiß daher – der optische Indikator dafür, dass sich die Geschehnisse nicht vor, sondern nach „Breaking Bad“ zutragen.
Es setzt direkt an den Moment der Folge zuvor an, als ausgerechnet eine gebrechliche Frau dem untergetauchten Saul auf die Schliche kam – indem sie die beiden Begriffe „Schwindler“ und „Albuquerque“ bei Google eingab. Lange währt Sauls Flucht vor der Polizei daraufhin nicht, nach wenigen Metern wird er von den Beamten aus einem Müllcontainer gefischt. „So haben sie dich gekriegt!?“, will er seinen drohenden Niedergang selbst nicht glauben, während er in der Gefängniszelle auf und ab schlurft. Lebenslang plus 190 Jahre, rechnen ihm die Staatsanwälte genüsslich seine Haftstrafe vor. Doch ein Ass hat Saul wie immer noch im Ärmel…
Nicht vor der Polizei sei er geflohen, sondern vor den Schergen des berühmt-berüchtigten Walter Hartwell White. Geschickt lässt Saul noch einmal Walts Verbrechen aus fünf Staffeln „Breaking Bad“ Revue passieren – mit sich als Opfer, nicht als Mittäter, versteht sich. Ein Manöver, das zunächst Früchte zu tragen und Sauls Haftstrafe auf lächerliche sieben Jahre zu drücken scheint.
United States versus Saul Goodman
Nicht mit einer spektakulären Schießerei geht „Better Call Saul“ also zu Ende, sondern mit einer Gerichtsverhandlung. „Wie glaubst du wird das enden?“, will Sauls Anwalt, der stets glücklose Bill (Peter Diseth) von seinem Mandanten wissen. „Mit mir ganz oben – so wie sonst auch“, entgegnet dieser. Letztendlich bewahrheitet sich jedoch ein Satz, denn Jimmy/Saul zur Genüge gehört hat: „Eigentlich willst du geschnappt werden.“
Augenscheinlich, um sein gigantisches Ego zu pampern, berichtet Saul unter Eid, dass Walter White ohne ihn nichts gewesen sei. Im Gegenteil, nur durch seinen Mastermind habe es „Heisenberg“ überhaupt an die Spitze der Drogenszene geschafft. In Wahrheit verbirgt sich hinter dem fraglichen Selbstlob jedoch eine letzte hehre Tat, um seine Sünden zu beichten und zugleich seine Ex Kim Wexler (Rhea Seehorn, 50) aus der Schlusslinie der Ermittler zu nehmen. Aus Saul Goodman wurde ganz zuletzt also doch wieder Jimmy McGill. Und der wandert am Ende von „Better Call Saul“ für den Rest seines Lebens, genauer gesagt für 86 Jahre, hinter Gitter.
Ein letztes Staraufgebot
Für das Serienfinale haben Serienschöpfer Vince Gilligan (55) und Co. noch einmal alle Register gezogen. In der Schwarz-weiß-Gegenwart kehrt etwa noch einmal Betsy Brandt (49) als Marie Schrader zurück, Witwe des ermordeten Polizisten Hank (Dean Norris, 59). In einer der (farbigen) Rückblenden kabbelt sich Jimmy noch einmal mit seinem großen Bruder Chuck McGill (Michael McKean, 74). Und auch der Fanliebling beider Serien, Mike Ehrmantraut (Jonathan Banks, 75), darf ihm noch ein letztes Mal ins Gewissen reden.
Ein stiller Höhepunkt des Finales ist eine kammerspielartige Unterhaltung, die Saul Goodman mit Walter White führt. Über Reue sprechen die beiden Männer, während sie sich in einem besseren Erdloch verstecken – eine Szene, die sich kurz vor dem Finale von „Breaking Bad“ zugetragen haben muss. Keinem der beiden kommen dabei die Verbrechen in den Sinn, die sie überhaupt in diese missliche Situation gebracht haben.
Die Reue der Hauptprotagonisten ihrer jeweiligen Serien kam erst später. Bei Walter 2013 mit einem lauten Knall, bei Saul nun wortreich, aber leise – und sogar mit einem buchstäblichen Funken Hoffnung: Eine Zigarette, die Jimmy im Knast von seiner einstigen Liebe Kim zugesteckt bekommt und die sie zusammen rauchen, glimmt im Gegensatz zu allem anderen in der Schwarz-weiß-Szene wieder in Farbe. Wie sie es in ihrer gemeinsamen Vergangenheit getan hätte.