Es reicht! Sie wolle mit dem Singen aufhören, soll sie angekündigt haben. Schließlich sei sie nicht mehr die Jüngste. Das mag schon stimmen, denn am 1. Dezember wird Bette Midler 80 Jahre alt.
Doch dann straft sie sich selbst Lügen. Okay, ihr Haar hat nicht mehr dieses helle Rot, es leuchtet jetzt mehr silbrig. Die berühmte wilde Lockenmähne ist ebenfalls Geschichte, sie trägt eine Hochsteckfrisur, die ihren schelmischen Augenausdruck unterstreicht. Und sie hat immer noch dieses wunderbar unverschämte, zeitlose Lachen, gegen das kein Kraut gewachsen ist.
„Eine Stimme der Vernunft, der Ehrlichkeit und vor allem der Ehre!“
So war es Mitte Oktober bei ihrem letzten großen öffentlichen Auftritt. Bette Midler war Gast in der CBS-Talkshow von Stephen Colbert (61). Dieser beliebte Satiriker und Moderator hatte in der Vergangenheit oft über US-Präsident Donald Trump (79) gewitzelt. Seine „The Late Show with Stephen Colbert“ wird im Mai 2026 eingestellt, eine „rein finanzielle Entscheidung“, sagt CBS. Insider vermuten jedoch, dass Paramount, der Mutterkonzern von CBS, mit der Absetzung die Trump-Regierung günstig stimmen will, um deren notwendige Zustimmung zu einem Besitzerwechsel zu bekommen.
Auch Bette Midler hat selten eine Gelegenheit ausgelassen, um sich über Donald Trump lustig zu machen, und wenn sie sich über jemanden lustig macht, kann das ziemlich ätzend sein. Trump hat sie erbost unter anderem als „abgehalfterte Psychopathin“ bezeichnet.
Nun trifft also Bette Midler bei Stephen Colbert ein. Sie ist putzmunter, niemand kommt auf die Idee, dass diese agile kleine Lady (1,55 m) stramm auf die 80 zugeht. Sie sagt Colbert, er sei „eine Stimme der Vernunft, der Ehrlichkeit und vor allem der Ehre!“
Dann singt sie, entgegen ihrer Ankündigung. Live, ihre Stimme ist klar und hat nichts eingebüßt. Der Song heißt „Did You Ever Know That You’re My Frodo“ und bezeichnet Stephen Colbert als ihren Frodo Beutlin, dem Helden aus dem Fantasy-Epos „Der Herr der Ringe“. Den Text, den sie zur Melodie ihres Welthits „Wind Beneath My Wings“ singt, hat sie vor der Sendung geschrieben: „Du stehst mit Witz und Klasse für das Richtige ein, weil: You never kissed the orange ass! – Du hast nie den orangen Arsch geküsst!“ Das kommt ein paar Mal als eingängiger Refrain, das Studiopublikum tobt.
Weltoffen, unangepasst, hellwach
Diese Bette Midler lieben die Menschen seit fast 60 Jahren. Ihre Songs, ihre Filme, ihren Humor, der auch mal wehtun kann. Eine typische New Yorkerin, weltoffen, unangepasst, hellwach. Tatsächlich ist sie in Honolulu auf Hawaii geboren. In eine jüdische Familie, die es aus New Jersey auf die Inselgruppe im Pazifik verschlagen hatte. Ihr Vater, ein Gebäudemaler und Anstreicher, hatte auf einem Hawaii-Stützpunkt der US-Marine einen Job bekommen.
Die Mutter war Näherin und Hausfrau, die Filme über alles liebte. Ihre Tochter wurde daher nach dem berühmten Filmstar Bette Davis (1908-1989) benannt. Schon auf der High School machten sich ihr Talent und ihr Drang zur Bühne bemerkbar. Nach der Schule begann sie an der University of Hawaii and Manoa ein Schauspiel-Studium, nach drei Semestern war damit Schluss, da hatte sie schon als Statistin in „Hawaii“ mitgespielt, in dem immerhin Stars wie Julie Andrews, Gene Hackman und Richard Harris mitmachten und die junge Bette Midler eine seekranke Passagierin darstellen durfte.
Durchbruch mit „The Divine Miss M“
Mit dem Honorar für „Hawaii“ ging sie im Sommer 1965 nach New York City und nahm Schauspielunterricht bei der deutsch-amerikanischen Theaterlegende Uta Hagen. Im gleichen Jahr spielte sie schon am Broadway, tagsüber in einem Kinderstück, abends in einer Aufführung für Erwachsene. 1966 wurde sie ins Darstellerteam des Erfolgsmusicals „Anatevka“ geholt, in dem sie die tragende Rolle der Tochter Tzeitel belegte. Und 1969 gehörte sie zur Originalbesetzung des Rock-Musicals „Salvation“.
Dann kam der Sprung zur Solokarriere. Bette Midler trat in den Continental Baths, einem Schwulenbad im Untergeschoss des Ansonia Hotels in Manhattan als Entertainerin auf, am Klavier begleitete sie ein gewisser Barry Manilow (82), der später selbst eine Weltkarriere startete. Mit einer einzigartigen Mischung aus Pop, Kabarett und Comedy wurde sie in Schwulenkreisen zur Kultfigur „The Divine Miss M“, das göttliche Fräulein M.
So hieß auch ihr erstes Album, das 1972 herauskam und mit dem sie sich in die Riege der großen New Yorker Entertainment-Stars katapultierte. 1973 schrieb die „New York Times“ nach einem Midler-Auftritt im Palace Theater am Broadway: „Was es anders machte, war der Schwerpunkt, den Miss Midler auf einige stilvolle Beleidigungen und Schmähungen legte.“ Ihr Debütalbum „The Divine Miss M“ kam in die Top 10 der Billboard-Charts und verkaufte sich millionenfach, Bette bekam den Grammy als „beste neue Künstlerin“.
Ein neuer Star in Hollywood
Dann kam der Film: 1979 spielte Bette Midler die Hauptrolle in der Rock’n’Roll-Tragödie „The Rose“, die Geschichte einer drogensüchtigen Sängerin, die dem Schicksal von Janis Joplin (1943-1970) nachempfunden war. Auf Anhieb wurde sie für den Oscar als beste Hauptdarstellerin nominiert, der von ihr gesungene Titelsong „The Rose“ ging um die Welt, das Soundtrack-Album verkaufte sich zwei Millionen Mal, Bette Midler erhielt den Golden Globe als beste Hauptdarstellerin.
New York, die USA, ja die Welt hatte einen neuen Star, der – wie ihre New Yorker Freundin Barbra Streisand (83) – in der Musik wie im Film und Entertainment brillierte. Die Sängerin Midler verkaufte 35 Millionen Tonträger, als Schauspielerin begeisterte sie das Publikum in Filmkomödien wie „Hocus Pocus“, „Club der Teufelinnen“ oder „Die unglaubliche Entführung der verrückten Mrs. Stone“, die Entertainerin bekam eine TV-Sitcom und wurde mit über 200 Live-Auftritten in der eigenen Show in Las Vegas gefeiert.
Die überdrehte Bette Midler, die sich als „die letzte der wirklich geschmacklosen Frauen“ bezeichnet hat, ist eine Figur der Öffentlichkeit. Eine, die (fast) allen gehört. Die andere gehört nur ihrer Familie und sich selbst: die private Bette Midler. Seit 1984 ist Bette Midler mit dem vier Jahre jüngeren deutschstämmigen Performancekünstler und Schauspieler Martin von Haselberg verheiratet. Bereits sechs Wochen nach dem Kennenlernen wurden sie in Las Vegas getraut. Die Ehe hält bis heute, weil sie „getrennte Schlafzimmer“ haben, wie Midler mitteilte. „Martin schnarcht fürchterlich“ und „genügend guter Schlaf“ sei auch für eine gute Ehe wichtig.
Sie konzentriert sich auf ihre Familie
Die beiden haben eine Tochter, von der Midler einmal sagte, sie würde nie wieder mit ihr sprechen, wenn sie ins Showgeschäft ginge. Nun ist Sophie von Haselberg (39) nach einem abgeschlossenen Studium in Yale ebenfalls Schauspielerin – und das Ebenbild ihrer Mutter. 2015 spielte sie in Woody Allens Film „Irrational Man“. Der Regisseur war begeistert: „Sie ist einfach wunderbar.“
Bette Midler hat sich dagegen weitgehend vom Showbiz zurückgezogen, auch weil sie dem modernen Hollywood, dem sie Sexismus, Respektlosigkeit und vor allem schlechten Geschmack vorwirft, nichts abgewinnen kann.
Derweil kümmert sie sich um die Begrünung und Renaturierung New Yorks, lästert bisweilen gegen Donald Trump und genießt ihr Privatleben mit ihrem Mann. Seit Jahren ist für sie nur noch die Familie wichtig, dazu „gutes Essen, Bücher und Musik. Der Rest kann meinetwegen zur Hölle fahren. Nur bitte nicht in meinen Teil davon“.
(ln/obr/spot)
Bild: Bette Midler ist bis heute eine der erfolgreichsten Entertainerinnen aller Zeiten. / Quelle: action press/Century City

