„Feinde – Hostiles“ im Free-TV: Am Wilden Westen ist nichts romantisch

„Feinde – Hostiles“ im Free-TV: Am Wilden Westen ist nichts romantisch

In Deutschland herrscht eine seltsam romantische Verklärung, wenn es um den Wilden Westen der USA geht. Karl May erschuf die oft zitierte und noch öfter persiflierte Bromance zwischen Winnetou und Old Shatterhand. Und für die Band Truck Stop fing der „wilde wilde Westen“ gleich hinter Hamburg an. Zum Glück nicht, schießt es einem angesichts der Free-TV-Premiere von „Feinde – Hostiles“ (22:40, ZDF) durch den Kopf. Denn dann wäre das Hinterland Hamburgs ein gottloser Ort, an Düsternis nicht zu überbieten. Und damit würde man sogar Buxtehude Unrecht tun.

Vertrauter Erzfeind – Darum geht es:

Das Jahr 1892: Bei diesem Auftrag denkt selbst der allseits geachtete, gefährlich abgestumpfte Armee-Offizier Joseph J. Blocker (Christian Bale, 47) an Befehlsverweigerung. Ausgerechnet er soll den seit Jahren inhaftierten und sterbenden Stammesführer der Cheyenne, Häuptling Yellow Hawk (Wes Studi, 73), als letztes Geleit in dessen ehemalige Heimat Montana bringen. Hat die Militärobrigkeit etwa vergessen, wie viele Männer von Blocker der vermeintlich Wilde auf dem Gewissen hat?

Widerwillig und misstrauisch macht er sich gemeinsam mit einer Handvoll Soldaten und Yellow Hawks Familie auf, seinen Auftrag zu erfüllen. Auf der gefährlichen Reise durch das unbarmherzige Terrain trifft die Truppe auf die verstörte Rosalie Quaid (Rosamund Pike, 42). Die Familie der Siedlerin wurde auf bestialische Weise von Komantschen massakriert, nur sie überlebte schwer traumatisiert. Schnell wird dem ungleichen Haufen klar: Nur wenn sie alle an einem Strang ziehen, wird aus der Reise durch die Prärie kein Himmelfahrtskommando – zumindest nicht für alle von ihnen.

Ein Spiel mit den Klischees

Der Mann bei lebendigem Leib skalpiert, die zwei kleinen Mädchen und gar ein Baby kaltblütig erschossen. Mit dieser schockierenden Tristesse begrüßt „Feinde – Hostiles“ den Zuschauer. Der sich sogleich Sorgen macht, wieder einmal Zeuge einer so bekannten Hollywood-Krankheit zu werden – der Schwarz-Weiß-Malerei in der Figurenzeichnung. Doch hier spielt Regisseur Scott Cooper (51, „Crazy Heart“) mit den Sehgewohnheiten des Publikums, zeigt direkt nach dieser Szene die Hauptfigur Blocker, die teilnahmslos ein Stück Obst mampft, während ein Ureinwohner unter dem Wehklagen seiner Familie von US-Soldaten übel traktiert wird. Nein, es ist eine Schwarz-Schwarz-Malerei, die Cooper betreibt – die glühende Sonne des Wilden Westens scheint jeder gezeigten Figur die Menschlichkeit aus dem Leib gegerbt zu haben.

Dies macht aus „Feinde – Hostiles“ zwar einen überraschenden, aber ungemein frustrierenden Film. Durch den Verzicht auf einen rechtschaffenen Helden ist der Zuschauer eines moralischen Ankerpunkts beraubt. Zumindest für weite Strecken zu Beginn des Films, den zu überstehen sich mitunter wie Arbeit anfühlt. Für Spannung sorgt das wohlbekannte Prinzip, bei dem die Antiheldentruppe nach und nach dezimiert wird. Doch nur bei sehr wenigen von ihnen schert man sich darum.

Keine Zeit für Eitelkeiten

Wer der Meinung ist, dass einen schönen Mann nichts entstellen kann, der sieht sich durch Bales Walross-Bart in „Feinde“ eindrucksvoll eines Besseren belehrt. Und auch wenn sich seine Figur immer wieder über die fettigen Haare streicht, Zeit für Eitelkeiten gibt es im Film nicht. Wohl aber für herausragendes Mienenspiel des Schauspielers, dem die innere Zerrissenheit stets abgekauft wird. Pike hingegen presst an einer Stelle des Films aus verzerrter Grimasse derartig überzeugende Klagelaute hervor, dass man glatt hofft, am Set des Streifens ist ein Seelsorger zugegen gewesen. So gut ging es zwei Menschen in einem Film schon lange nicht mehr schlecht.

Stimmungsaufhellenden Humor sucht man beim Film dementsprechend vergebens. Wer sich damit bereits bei Neo-Western wie „The Proposition“ oder „The Salvation – Spur der Vergeltung“ anfreunden konnte, wird auch an „Feinde – Hostiles“ Gefallen finden. Karl-May-Jüngern dürfte dagegen die Zigarillo aus dem weit nach unten gezogenen Mundwinkel fallen.

Fazit:

„Feinde – Hostiles“ als sehenswert zu bezeichnen, fühlt sich falsch an. Nicht unbedingt, weil er es nicht ist, sondern weil es ein zu positives Gefühl während des Betrachtens andeutet. Wer sein romantisiertes Bild vom Wilden Westen nicht skalpiert im Dreck liegen sehen will, reitet um den Film besser im weiten Bogen herum. Deserteure verpassen dann aber einen Western, der gekonnt mit so manchem Klischee bricht.

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