„Tatort: Letzte Ernte“: Zerplatzte Träume auf dem Apfelhof

„Tatort: Letzte Ernte“: Zerplatzte Träume auf dem Apfelhof

Nach über eineinhalb Jahren ist Charlotte Lindholm zurück. Im „Tatort“: Mit „Letzte Ernte“ läuft am Sonntag (26. Oktober um 20:15 Uhr im Ersten) der 32. Film mit der eigenbrötlerischen Ermittlerin. Und hier ist mal wieder alles anders: Die von Maria Furtwängler (59) gespielte Kommissarin ist nach sechs Einsätzen in Göttingen wieder beim LKA Hannover, wo sie ihre „Tatort“-Karriere einst begonnen hat. Dort ist sie aber erst mal auf sich allein gestellt. Ohne Partnerin oder Partner ermittelt Furtwängler improvisierend im Milieu der Apfelbauern im Alten Land – dafür hat sie „Unterstützung“ von einem recht trotteligen Dorfpolizisten.

In diesem „Tatort“ ist so manches anders und doch vertraut. Furtwänglers Solo-Ermittlung wurde dazu genutzt, die Schauspielerin als Meisterdetektivin à la Hercule Poirot zu inszenieren – natürlich inklusive der langen Schlussrunde in Agatha-Christie-Manier, in der sie allen Verdächtigen den Fall Stück für Stück rekonstruiert und schließlich klärt, wer den Aushilfsbauern enthauptet hat.

Darum geht es im „Tatort: Letzte Ernte“

Auf einem Biobauernhof im Alten Land, einem Apfelanbaugebiet in Niedersachsen, wird ein enthaupteter rumänischer Aushilfsbauer gefunden. Augenscheinlich hat ihm eine Landmaschine den Kopf abgeschlagen – ein Unfall? Doch wo ist dann der Kopf? Charlotte Lindholm will sich mit dieser Theorie nicht zufriedengeben. Da alle verfügbaren Kräfte an ihrem neuen, alten Arbeitsplatz, dem LKA Hannover, anderweitig eingespannt sind, macht sie sich allein auf den Weg ins Alte Land und quartiert sich kurzerhand auf dem Hof ein.

Dort muss sie feststellen: Von ländlicher Idylle ist weit und breit nichts zu sehen. Vielmehr tun sich zahlreiche Familiendramen auf. Hofmatriarchin Marlies Feldhusen (Lina Wendel) führt einen erbitterten, aber einsamen Kampf gegen die Pestizide der anderen Bauern. Ihr Sohn Sven (Henning Flüsloh) leidet an Depressionen und trauert seiner Karriere als Surfer nach. Seine Frau Frauke (Ronja Herberich) ist eigentlich Psychotherapeutin und hält es nur der Liebe wegen auf dem Hof aus. Und um den Toten scheint niemand wirklich zu trauern – steht doch die alles entscheidende Apfelernte bevor.

Auch Dorfpolizist Gerke (Ole Fischer) interessiert sich nicht sonderlich für den Fall und will ihn möglichst schnell abhaken. Oder hat er selbst etwas zu verbergen? Lindholm kommt zu dem klaren Schluss, dass hier ein Tötungsdelikt vorliegt – und der Täter im Dorf zu suchen ist …

Lohnt sich der „Tatort: Letzte Ernte“?

Ja. Dieser „Tatort“ bietet eine Menge: vielschichtige Charaktere, Familiendrama, aber auch witzige Momente, Naturaufnahmen, eine Auseinandersetzung mit Biodiversität und den Problemen in der Landwirtschaft – und eine Maria Furtwängler, die als einsamer Wolf wieder alles zeigen kann, was in ihr steckt.

Vieles scheinen die drei Drehbuchautoren aus Furtwänglers Anfangszeit im „Tatort“ vor über 20 Jahren wieder hervorgeholt zu haben. Wie in ihrem allerersten Fall „Lastrumer Mischung“ 2002 steht sie als eine Art Eindringling aus der Stadt einer – vermeintlich – eingeschworenen Gemeinschaft gegenüber. Lina Wendel (60) als eiskalte und doch tiefgründige Bäuerin ist eine würdige Gegenspielerin.

Die große Fülle an Themen ist allerdings auch die Schwäche des „Tatorts“. Es wirkt etwas überladen, wenn die toxischen Verbindungen der Familie aufgezeigt, die zerplatzten Träume auf dem Land und im Hintergrund immer wieder auch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten sowie die Pestizidproblematik insbesondere bei Apfelbauern beleuchtet werden. „Das Thema liegt mir sehr am Herzen“, sagt Furtwängler über den Erhalt der Artenvielfalt, und das merkt man auch. Die Gefahren der monokulturellen Landwirtschaft sollen von beiden Seiten beleuchtet werden. Aber geht das wirklich in 90 Minuten? Denn da soll ja auch noch Raum bleiben für den korrupten Dorfpolizisten, der Deals mit dem Mega-Landwirt macht.

Es ist auch kein Wunder, dass vorne alles etwas gequetscht ist. Immerhin braucht man hinten Platz für die knapp 20-minütige Schlussszene à la Agatha Christie. Alle versammelt in der Scheune und mittendrin monologisiert Furtwängler, die die Fäden wie Hercule Poirot miteinander verbindet. „Wir haben uns an Krimiklassikern und legendären Serien orientiert und versucht, das Genre ein wenig neu zu beleben“, erklärt Regisseur Johannes Naber dazu. Es habe sich wie Theaterspielen angefühlt, ergänzt Furtwängler. Und irgendwie bringt es dann doch wieder die abhandengekommene Ruhe in den Krimi.

(eyn/spot)

Bild: Dass selbst Äpfel für einen Mord sorgen können, zeigen Maria Furtwängler (r.) und Lina Wendel im „Tatort: Letzte Ernte“. / Quelle: NDR/Christine Schroeder

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