Miniserie „Hundertdreizehn“: Ein Unfall zerstört 113 Leben

Miniserie „Hundertdreizehn“: Ein Unfall zerstört 113 Leben

Ein schwerer Verkehrsunfall auf der Autobahn – und plötzlich steht die Welt still. Was bedeutet so eine Katastrophe für all jene, die direkt oder indirekt davon betroffen sind? Die neue ARD-Miniserie „Hundertdreizehn“ nimmt sich dieser beklemmenden Frage an und entwickelt daraus ein außergewöhnliches Fernsehereignis.

Der Titel der sechsteiligen Serie bezieht sich auf eine Untersuchung des Bundesverkehrsministeriums. Demnach sind durchschnittlich 113 Menschen direkt oder indirekt betroffen, wenn ein einziger Mensch tödlich verunglückt. Familienangehörige, Freunde, Einsatzkräfte, Augenzeugen – sie alle tragen die Last dieses einen Moments. Aus dieser nüchternen Statistik macht Drehbuchautor Arndt Stüwe eine Schicksalszahl und entwirft ein komplexes Geflecht menschlicher Dramen.

Hochkarätige Besetzung für intensive Einzelschicksale

Die Serie versammelt ein beeindruckendes Ensemble vor der Kamera. Anna Schudt verkörpert Riccarda Hövemann, die Frau des Busfahrers Theo, der bei dem Unfall ums Leben kommt. Bei der Identifizierung offenbart sich ein erschütterndes Geheimnis: Theo führte über mindestens 16 Jahre ein Doppelleben mit einer zweiten Familie in einer anderen Stadt. „Die beiden Frauen und die gleichaltrigen Töchter sind nun gezwungen, in ihrem großen Schmerz die Entscheidung zu treffen, sich zu verbinden oder zu bekämpfen“, beschreibt Schudt die Ausgangssituation ihrer Rolle.

Patricia Aulitzky spielt Caro Novak, die zweite Frau des Busfahrers. Ihre Figur muss sich der Frage stellen, was sie hätte verhindern können. Gemeinsam mit den Töchtern Ela und Salma, dargestellt von Eva Marlen Hirschburger und Allegra Tinnefeld, bildet das Quartett den emotionalen Kern der Serie.

Ermittler auf der Suche nach der Wahrheit

Als Ermittler Anne Goldmundt und Jan Auschra sind Lia von Blarer und Robert Stadlober zu sehen. Während Goldmundt analytisch und rational an den Fall herangeht, bringt Auschra ein außerordentliches Einfühlungsvermögen mit. „Durch seine empathisch sensible Art schafft er es, diese Schicksale zu durchleuchten, ohne die Menschen zu verletzen“, erklärt Stadlober seinen Ermittler-Charakter. Die beiden bilden ein konträres, aber kongenial arbeitendes Team.

Die weiteren Episodenhauptrollen übernehmen Armin Rohde als ein an Alzheimer erkrankter Spediteur, Max von der Groeben als traumatisierter Feuerwehrmann, Friederike Becht als Architektin mit Schuldgefühlen und Antonia Moretti als Frau mit Gedächtnisverlust. Jede Folge konzentriert sich auf ein anderes Schicksal, wobei die Ermittlungen und die Busfahrer-Familien als verbindende Elemente dienen.

Innovative Dramaturgie

„Als ich vor etwa acht Jahren in einem kleinen Zeitungsartikel auf diese Zahl stieß, war ich bewegt und fasziniert gleichermaßen“, erzählt Drehbuchautor Arndt Stüwe über die Entstehung der Serie. Er entwickelte ein neues, radiales Erzählmodell, bei dem der Unfall als Mittelpunkt eines Kreises fungiert, an dem sich die Stränge der Folgen kreuzen, beginnen oder enden.

Regisseur Rick Ostermann, der alle sechs Episoden inszenierte, arbeitete eng mit Kameramann Ralph Kaechele zusammen, um einen einheitlichen visuellen Stil zu entwickeln. „Der Unfallort war für mich immer ein eigener Charakter und der Dreh- und Angelpunkt“, beschreibt Ostermann seine Herangehensweise. Jede Figur sollte den Unfallort auf ihre eigene Weise sehen, spüren und erfahren.

Monumentale Produktion mit logistischen Herausforderungen

Die Produktion von Windlight Pictures und Satel Film in Koproduktion mit WDR, ORF und ARD Degeto Film stand vor außergewöhnlichen Herausforderungen. Mit über 60 Sprechrollen und in jeder Folge mehreren neuen Hauptrollen gestaltete sich das Casting komplex. „Dank unseres großartigen Casters Siegfried Wagner ist uns das aber hervorragend gelungen“, betont Producer Moritz Polter.

Besonders schwierig erwies sich die Suche nach der perfekten Location für den Unfallort. Die Anforderungen waren hoch: eine innerstädtische, mehrspurige Hochstraße, die mindestens eine Woche nachts komplett gesperrt werden konnte. Nach europaweiter Suche fand das Team mit der Schlangenbader Straße in Berlin den idealen Drehort. Die Dreharbeiten fanden von Ende Juni bis Mitte Oktober 2024 in Wien, Nordrhein-Westfalen und Berlin statt.

Schuld und Verantwortung als zentrale Themen

Im Zentrum der Serie steht die Frage nach Schuld und Verantwortung. „Die Schuld hält uns ab, Verantwortung zu übernehmen“, lautet ein zentraler Satz der Serie. Jede Hauptfigur muss sich dieser Problematik auf individuelle Weise stellen. Der Unfall dient dabei als äußerer Auslöser, der einen inneren Prozess in Gang setzt und die Figuren zur Selbstauseinandersetzung, Selbstüberwindung und Selbstbefreiung zwingt.

„Mir war es ein besonderes Anliegen, in dieser Serie die großen Themen wie Liebe, Tod, Abschied, Schuld, Sühne und Vergebung zu thematisieren“, erklärt Stüwe. Dabei sollte keine düstere Resignation entstehen, sondern auch gezeigt werden, dass so ein Schicksalsmoment Aufbruch und Hoffnung bringen kann.

Die federführende Redakteurin Elke Kimmlinger vom WDR zeigt sich fasziniert von der besonderen Dramaturgie: „Dabei ist eine sehr emotionale, berührende, im besten Sinne humanistische Erzählung über die Frage nach Schuld, Verantwortung und Vergebung geglückt.“

„Hundertdreizehn“ ist in der Mediathek zu sehen. Die ersten drei Folgen werden am Dienstag, 14. Oktober, ab 20:15 Uhr im Ersten gezeigt, die Folgen vier bis sechs am Mittwoch, 15. Oktober, ebenfalls ab 20:15 Uhr.

(ili/spot)

Bild: Miniserie „Hundertdreizehn“ unter anderem mit (v.l.): Robert Stadlober, Lia von Blarer und Anna Schudt. / Quelle: [M] WDR/Windlight Pictures/Satel Film/Frank Dicks

Das könnte dir auch gefallen

Mehr ähnliche Beiträge