Finch will in keine Schubladen mehr gesteckt werden

Finch will in keine Schubladen mehr gesteckt werden

Rapper Finch ist wohl der ungewöhnlichste Teilnehmer der aktuellen Staffel von „Sing meinen Song“ (dienstags um 20:15 Uhr bei Vox, auch via RTL+). Zwischen den Fantastischen 4, Bosse, Mieze Katz, Madeline Juno, Michael Patrick Kelly, ClockClock und Gastgeber Johannes Oerding fällt er mit seinen harten Beats und provokanten Songtexten auf. Am 20. Mai steht sein Tauschabend an. Doch der Musiker bringt nicht nur eine andere Stilrichtung mit, sondern auch die klare Meinung, dass er in der Musikbranche oft übergangen wird.

Auch im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verrät Nils Wehowsky, wie Finch mit bürgerlichem Namen heißt, dass er sich bisher kaum gesehen fühlt. Das Wehren gegen Vorurteile ihm gegenüber, der gerne über seine ostdeutsche Herkunft spricht und in seinen Songs durch eine derbe Ausdrucksweise auffällt, bezeichnet er als „Kampf gegen Windmühlen“. Dabei hat Finch sich beispielsweise in seinem Song „Wenn du dumm bist“ deutlich gegen Rechts positioniert.

So einen Künstler wie Sie gab es bei „Sing meinen Song“ noch nicht – was hat Sie überzeugt, trotzdem mitzumachen?

Finch: Die Chance. Man kriegt als Finch nicht so oft die Möglichkeit, bei großen Sachen mitzuwirken – dann nutze ich das natürlich. Ich habe mich immer darüber aufgeregt, dass wir als Rapper nirgends akzeptiert und ein bisschen totgeredet werden. 2020 habe ich noch gesagt, ich würde niemals bei „Sing meinen Song“ mitmachen – aber einfach, weil ich nicht geglaubt habe, dass ich jemals angefragt werde. Ich hatte das Gefühl, die reden viel über dich, aber nicht mit dir.

Hatten Sie denn Angst, dass Sie nicht richtig in die Runde passen?

Finch: Nein, dass ich reinpasse und der Sendung was bringen kann, das wusste ich schon immer. Im Endeffekt kann der Grund, warum ich nie zu Sachen eingeladen werde, nur ein persönliches Problem sein und Leute, die mich in eine Ecke drücken wollen. „Sing meinen Song“ hat das anders gemacht. Die glauben, dass ich das Format rocke, dass ich eine gute Seite von mir zeige. Und bisher sind die Reaktionen ja auch gut und die Leute sagen: „Ey, wir haben dich falsch eingeschätzt und wir freuen uns, dass du dabei warst.“

Wie war die Reaktion der Rap-Szene auf Ihre Teilnahme?

Finch: Eigentlich positiv. Ich glaube, es ist wichtig, wie man sich da verkauft. Dass man sich nicht komplett verstellt, das wäre uncool. Aber so wie ich da bin, so bin ich wirklich. Nico Santos, Eko Fresh, SDP oder MoTrip haben mir alle geschrieben, dass sie es megagut finden.

Wollten Sie also auch mit den Klischees über sich brechen?

Finch: Was heißt Klischees brechen, das ist ein Kampf gegen Windmühlen. Manche werden auch in zehn Jahren noch sagen, ich bin ein Sexist und fische am rechten Rand. Das sind aber die, die sich noch nie irgendwie engagiert haben, nie den Arsch hochbekommen und die ganze Zeit bloß reden. Ich nutze das Format, um mit einigen Leuten abzurechnen und ein paar Sachen anzusprechen, die mir sauer aufstoßen. Du wirst die Leute aber nicht ändern können, weil sie in ihrer Meinung festgefahren sind. Diese Leute sind durch ihre Engstirnigkeit mitverantwortlich, dass Idioten gestärkt werden. Solange man nicht miteinander kommuniziert, wird sich nichts ändern und die Welt wird immer schlechter.

Wie schwer war es für Sie, Ihre Gefühle in der Show offen zu zeigen?

Finch: Ich habe in meinen Songs schon einige private Sachen thematisiert, deswegen war das kein Problem. Das ist nichts Neues für mich – wenn man aber nicht mit mir redet, dann habe ich auch nicht die Möglichkeit, mich zu öffnen. Wenn man mich vorher schon zu Interviews oder anderen Sachen eingeladen hätte, dann hätte ich schon vorher offen reden können. Aber ich hatte nicht die Chance.

Sie betonen oft, dass Sie kein Sänger sind – wie groß war die Überwindung, doch zu singen?

Finch: Die war schon sehr hoch. Ich bin viel zu faul, um noch mal Gesangstraining zu nehmen, damit könnte man schon ein paar Prozent raufhauen. (lacht) Aber bei Musik geht es nie darum, dass du ein guter Sänger bist. Mit Musik muss man etwas verkörpern, du brauchst Charakter, Ausstrahlung. Ich würde jetzt sagen – ohne Bosse auf den Schlips zu treten -, dass auch er nicht der beste Sänger ist, aber er kann das, was viele nicht können: Er kann Emotionen transportieren, Leuten aus der Seele sprechen. Da sind wir uns sehr ähnlich. Ich glaube, dass ich trotzdem mehr Leute abholen kann als andere, auch wenn da mal ein paar Töne schief sind.

Trauen Sie sich jetzt gesanglich mehr zu?

Finch: Ich habe auf meinem letzten Album viel gesungen. Jetzt wird es aber auch mal wieder Zeit für was Hartes, dass ich einfach wieder der alte Finch bin. Die Leute brauchen keine Angst haben, dass Finch jetzt nur noch soft und politisch ist, das ist totaler Quatsch. Ich habe meine politischen Aussagen getroffen, jetzt reicht es wieder. Ich muss nicht jeden Tag den Zeigefinger heben. Ich möchte auch Mucke machen, die einfach verträglich ist und Spaß macht. Es gibt viele Leute, die Finch hören, weil sie da ihren Kopf ausschalten und feiern können. Deswegen wird es jetzt wieder mehr in diese Richtung gehen.

Sie haben gehofft, in der Show auch für eigene Musik inspiriert zu werden. Hat das funktioniert?

Finch: Also es gibt eventuell ein paar Kooperationen mit den anderen. Aber hat es mich jetzt inspiriert? Ich habe in der letzten Zeit so wenig Inspiration, weil ich nur unterwegs war. Vielleicht muss ich mir die Sachen auch noch mal angucken, ich weiß nicht mehr alles. Wir haben an einem Abend so viele Songs performt – da hast du gar keine Zeit nachzudenken, ob irgendwas cool ist oder nicht.

Wie haben Sie sich mit den anderen verstanden?

Finch: Super. Wir hatten eine megagute Chemie. Wir haben jetzt schon einmal eine Folge zusammen geguckt und machen das auch noch mal. Ich habe ein paar Mal aus anderen Staffeln gehört, dass es immer einen Stinkstiefel gab, der sich nicht in die Gruppe integriert hat. Das gab es bei uns nicht. Anfangs mussten Mieze Katz und ich uns langsam abtasten und erst mal checken, wie der andere überhaupt drauf ist. Aber da gab es ein, zwei klärende Gespräche und jetzt sind wir alle miteinander gleich cool.

Sie haben für Michael Patrick Kelly sogar Ihre alten Kelly-Family-Shirts rausgekramt…

Finch: Ja, das fand er auf jeden Fall lustig. Unterschreiben wollte er sie aber nicht. Er hat so viele Unterschriften in seinem Leben gegeben, das macht er nicht mehr – aber ist auch nicht schlimm. Es geht ja um die Erinnerung.

Was war für Sie die größte Herausforderung, sich mit den Songs der anderen zu beschäftigen?

Finch: Ich habe immer Schnittmengen gesucht. Das war mir wichtig: Wo sind Themen, die uns beide betreffen? Bei vielen musste ich mich erst quer durchhören, außer bei Aki Bosse. Da war gleich klar, dass ich „Frankfurt Oder“ mache – wenn ich den nicht kriege, mache ich nicht mit. Es gibt keine zweite Option: der Song über meine Heimatstadt, oder nichts. Und es gibt niemanden, der mir diesen Song wegnehmen darf.

Eingangs meinten Sie, Sie hadern damit, dass Sie nirgends eingeladen werden. Hat „Sing meinen Song“ da Türen geöffnet?

Finch: Ich hadere damit, dass ich nicht gesehen werde, ja. Aber jetzt muss ich auch aufpassen: No Hate, aber ich werde jetzt nicht überall sein. Ich bin kein Mainstream-Entertainer, ich bin immer noch ein bisschen Musiker. „Sing meinen Song“ ist mit seinem hohen Stellenwert etwas anderes als „Deutschland sucht den Superstar“, ohne es schlechtreden zu wollen. Wahrscheinlich muss ich es schlechtreden, dann werde ich da eingeladen. (lacht) Ich habe aber auf jeden Fall schon ein paar Anfragen bekommen, aber auch einige abgesagt.

Wieso das?

Finch: Es kamen Anfragen von öffentlich-rechtlichen Sendern – wenn es dann aber zum 40. Mal um das Thema Politik geht und den Rechts-Ruck im Osten, habe ich auch irgendwann die Schnauze voll. Ich habe meine Antworten gegeben, ich habe meinen Song, meine Statements gemacht. Aber man muss dann auch mal wieder ein bisschen runterfahren und das Thema nicht totreiten, dann ist es nicht mehr glaubwürdig. Wenn man mich einlädt, weil man mit mir Musik machen oder über Musik sprechen möchte, dann immer gerne, aber nicht immer nur das Thema Politik. Warum soll ich das ausbaden oder geradebügeln, was die Politik verzapft? Ich wasche nicht die dreckige Wäsche von den regierenden Parteien. Das müssen die selbst hinkriegen.

(eyn/spot)

Bild: Finch ist froh über die Chance, sich bei „Sing meinen Song“ zeigen zu können. / Quelle: RTL / Boris Breuer

Das könnte dir auch gefallen

Mehr ähnliche Beiträge