„Ich bin der King of Fragrance. Ich bin geil, ich bin stark, ich bin Number One Gott“. Jeremy Fragrance (34) neigt zu Superlativen bei seiner Vorstellung – und zu Tautologien: Sein Mantra „Kraft! Power! Strength!“ brüllt er am Strand und posiert oberkörperfrei wie ein Tom-Cruise-Double im „Top Gun“-Modus.
Weitere Kostproben: „Ich bin Heidi Klum und Thomas Gottschalk, nur mit noch mehr Benefits“ und: „Ich bin RTL, Sky und ProSieben in einem“. Bei einem dieser Sender hat Daniel Schütz, so sein bürgerlicher Name, nun also seine eigene Show. „Jeremy Fragrance – Power Baby!“ startet am 16. Oktober bei Sky und Wow.
Miami-Grasse-Grünwald: Unterwegs mit Jeremy Fragrance
Als Parfüm-Influencer Nummer eins kann sich der Exzentriker tatsächlich mit einigem Recht bezeichnen. Bei TikTok folgen ihm über sechs Millionen Menschen. Mit einem verhaltensauffälligen Auftritt bei „Promi Big Brother“ wurde er auch außerhalb der Influencer-Bubble bekannt. Obwohl er schon einen erfolgreichen englischsprachigen Youtube-Kanal betreibt, will der gebürtige Oldenburger in den USA richtig durchstarten, wo sein Bruder lebt. Dabei folgt ihm das Kamerateam.
In der ersten Folge bekommt Jeremy Besuch von seiner polnischstämmigen Mutter, die ihn größtenteils alleine großgezogen hat. Es ist fast schon rührend, wie er ihr seine Villa in München-Grünwald zeigt und sie mit „Overnight-Oathmeal“ verköstigt. In späteren Folgen lernen wir auch die Oma aus Krakau kennen. Zudem sehen wir Jeremy Fragrance auch ganz unglamourös im Waschsalon.
Keiner beherrscht das „Attention Game“ im Netz wie er
Jenseits des schrillen Images zeigt sich der „Parfümfluencer“ vor der Kamera nachdenklich, gar nicht mal unsympathisch – und vor allem müde. Er hetzt von einem Termin zum nächsten, staunt immer wieder über seinen Erfolg und das Geld, dass er für ein bisschen Reden bekommt. 40 000 Euro („plus Mehrwertsteuer“!) nimmt er pro Social-Media-Post ein.
„Das Attention Game gewinnt“ lautet der Titel seines Vortrags bei einer Online-Marketing-Messe in Hamburg, zu der ihn die Kameras begleiten. Jeremy Fragrance kommt im Moonwalk auf die Bühne und brüllt sein Mantra ins Publikum, wie der von Tom Cruise gespielte Speaker-Guru in „Magnolia“ (1999).
Das Spiel um Aufmerksamkeit hat der „Parfümfluencer“ auf jeden Fall begriffen. Wer im Internet Erfolg haben wolle, müsse die „Flucht nach vorne“ antreten, räsoniert er. Seine abgedrehten Videos und Auftritte, in denen er wie auf Koks wirkt (Drogen nimmt er aber laut eigener Aussage keine), sind also wohl kalkuliert. Bei einem Besuch in der französischen Parfümhauptstadt Grasse spürt man zudem seine kindliche Begeisterung und echte Expertise für Düfte.
Zwischen „No.1 Gott“ und „Mini-Star“
Privat schwankt er immer wieder zwischen seinem übergroßen Bühnen-Ich und dem moderat selbstironischen Normalo, der weiß, dass er nur ein „Mini-Star in seiner Branche“ ist, der aber stolz auf sein Handwerk ist.
In den weiteren Folgen, so verspricht der Beginn der Auftaktfolge, sucht Jeremy Fragrance unter anderem eine Partnerin. Seit zehn Jahren ist er solo, obwohl er jeden Tag „fünf Mädels bumsen könnte“, wie er bei einem bizarren Auftritt in Hamburg behauptet. Doch aus ethischen Gründen will er keine Frau für einen kurzen Kick missbrauchen.
Insgesamt bietet „Jeremy Fragrance – Power Baby!“ einen interessanten Einblick, nicht nur in das Leben seines schillernden Stars, sondern auch in eine Branche, die vom „Betteln um Aufmerksamkeit“ (Zitat Fragrance) lebt. Und die der „Number One Gott“ in seiner bewussten Übersteigerung fast schon satirisch verkörpert wie kein anderer.
(smi/spot)
Bild: Jeremy Fragrance mal nachdenklich – für seine eigene Doku. / Quelle: Sky