Jonathan Perleth (geb. 1994) spielt im „Polizeiruf 110: Daniel A.“ (19.2., 20:15 Uhr, das Erste) den liebenswerten und ob des drohenden Outings sehr verzweifelten Daniel Adamek, in dessen Pass noch Daniela Adamek steht. Dass dem Rostocker Schauspieler diese Darstellung so hervorragend gelingt, könnte mit seiner eigenen Lebensgeschichte zusammenhängen, denn auch er ist ein trans Mann (eigentlich Transmann, trans Mann laut NDR die von Perleth gewählte Schreibweise, Anm. d. Red.).
Über die Castingphase erzählte Perleth dem Sender: „Als ich die erste Mail von der Casterin Mai Seck bekam, war ich noch in Bern an der Schauspielschule. Ich hatte gerade erst ein halbes Jahr Testosteron genommen, sah also noch relativ weiblich aus. Aber auf den ganzen Casting-Portalen, auf denen man mich eventuell hätte finden können, hatte ich meinen Namen schon zu Jonathan geändert. Darum war mir gleich relativ klar, dass eine trans Person gesucht wird.“
„Ich hatte Sorge, dass das Thema oberflächlich bleibt“
Jonathan Perleth freute sich über die Anfrage, doch er war auch skeptisch: „So viele trans Personen hat man im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ja noch nicht gesehen, und ich hatte, ehrlich gesagt, Sorge, dass das ganze Thema ein bisschen oberflächlich bleibt und es um eine Figur geht, die hauptsächlich aus Stereotypen besteht“, sagt er dem NDR. Das Drehbuch konnte ihm die Sorgen aber offenbar nehmen. „Ich habe mich sehr gefreut, als ich schließlich mit der Einladung zum Casting auch das Buch bekam und sah, dass Daniel A. eine gut geschriebene, vielschichtige Figur mit eigenen Antrieben war – eine Rolle, die ich mir richtig erarbeiten musste“, schwärmt er.
Daniels größte Angst im Krimi ist, dass sein Vater Frank Adamek (Jörg Witte, 58) von seiner Transition erfährt. Denn der Polizist wünscht sich eine ganz „normale“ Familie, wurde aber von seiner Frau verlassen und kümmert sich seither zusammen mit Daniela/Daniel um seine andere noch minderjährige Tochter und deren Baby… „Ich finde die Angst der Figur [Daniel, Red.] total nachvollziehbar. Es kommt tatsächlich auch heute noch vor, dass Kinder von ihren Eltern rausgeschmissen werden, weil sie queer sind“, sagt Perleth dazu. Es tue sich zwar viel in der Gesellschaft, aber trotzdem gebe es das alles noch.
Weiter erklärt er zum Seelenzustand seiner Figur: „Es geht dabei ja auch nicht nur um das Worst-Case-Szenario, dass man am Ende alleine auf der Straße steht, sondern da hängt emotional noch mehr dran. Denn wenn’s schlecht läuft, kann sich die Beziehung zur Familie sehr verschlechtern, oder sie bricht ganz ab […] mir erschien diese Geschichte sehr plausibel.“
Sollte eine trans Figur von einer Person gespielt werden, die trans ist?
Auf die Frage, ob es wichtig sei, dass eine trans Figur von einer Person gespielt werde, die selbst trans sei, sagt Jonathan Perleth: „Vor allem ist wichtig, dass Geschichten mit trans Figuren überhaupt erzählt werden.“
Doch auch bei der Besetzung spielt es für ihn aus einem bestimmten Grund eine Rolle. „Grundsätzlich finde ich schon, dass man versuchen sollte, trans Figuren von trans Personen spielen zu lassen. Aber nicht, weil ich finde, dass wir trans Personen so eigen und so anders wären, dass sich niemand in uns einfühlen kann. Dieser Gedanke widerstrebt mir.“ Vielmehr gehe es darum, dass es mehr „Repräsentation“ brauche. Und die Frage danach stelle sich bei trans Personen noch mal „anders, als wenn es zum Beispiel um sexuelle Orientierung“ gehe, sagt Perleth.
Wenn man einen trans Mann im Film mit einer Frau besetze oder eine trans Frau mit einem Mann, spiele man dem transfeindlichen Diskurs in die Hände. Denn da heiße es: „Ach, das ist doch nur ein Mann in Frauenkleidern.“ Oder: „Das ist doch nur eine Frau, die nicht Frau sein will und deswegen so tut, als wäre sie ein Mann.“ Spielt beispielsweise ein Schauspieler eine trans Frau, passiert aber genau das: „Dann sieht man letzten Endes doch tatsächlich einen Mann in Frauenkleidern oder eine Schauspielerin, die versucht, ein Mann zu sein […] Deshalb ist die Frage, wer wen darstellen kann oder sollte, wenn es um trans Personen geht, noch mal eine ganz andere. Weil es hier eben auch um eine körperliche Repräsentation geht“, erklärt Perleth.
Apropos „körperliche Repräsentation“. Im „Polizeiruf 110: Daniel A.“ gibt es eine kurze Szene, in der Daniel beim Umziehen oben ohne zu sehen ist. „Diese Szene haben wir relativ spät gedreht, und Dustin [Regisseur Dustin Loose, 36, Red.] war so sehr darauf bedacht, dass für mich alles in Ordnung ist, dass ich dann, was das Nacktsein angeht, gar kein Problem hatte“, erzählt Jonathan Perleth. Und er fügt hinzu: „Das war eigentlich easy. Komischerweise war es für mich schwieriger, in Damenunterwäsche dazustehen, das war schlimmer, weil es so weiblich konnotiert ist.“
(ili/spot)
Bild: „Polizeiruf 110: Daniel A.“: Jonathan Perleth spielt Daniel A. / Quelle: NDR/Christine Schröder