„Das Weiße Haus am Rhein“: Charlie Chaplin und Hitler Tür an Tür?

„Das Weiße Haus am Rhein“: Charlie Chaplin und Hitler Tür an Tür?

Pünktlich zum Tag der Deutschen Einheit widmet das Erste sein Abendprogramm einem geschichtsträchtigen und mit Blick auf den Drachenfels durchaus magisch anmutenden Ort am Rhein, der seit jeher in die großen politischen Umwälzungen des 20. Jahrhunderts eingebettet ist. Im Grandhotel der Familie Dreesen im südlichen Bonner Stadtbezirk Bad Godesberg direkt am Fluss gelegen, gingen die Mächtigen aus Politik und Gesellschaft ein und aus. Das 1893/94 gegründete Anwesen war im Laufe der Zeit Nobelherberge, Hitlers Lieblingshotel, Gefangenenlager, Flüchtlingsheim und Diplomatensitz. In der rheinischen Provinz wurden Verträge geschlossen und bis zum Umzug der Regierung nach Berlin historische Meilensteine gesetzt.

Darum geht es im TV-Zweiteiler mit Top-Besetzung

Der TV-Zweiteiler „Das Weiße Haus am Rhein“ (3. Oktober, 20:15 Uhr und 21:45 Uhr) bettet die Weltgeschichte in der Phase der Weimarer Republik (1918-1933) in die Geschichte der Hotelierdynastie Dreesen ein und beruht laut Produktion zum Teil auf wahren Begebenheiten. Im Mittelpunkt steht Emil Dreesen (Jonathan Berlin, geb. 1994), der den Ersten Weltkrieg (1914-1918) traumatisiert überlebt hat und zu seiner Familie in das inzwischen von französischen Soldaten besetzte Hotel zurückkehrt. Sein nationalistischer Vater Fritz Dreesen (Benjamin Sadler, 51, „Krupp – Eine deutsche Familie“), die ebenfalls rückwärtsgewandte Mutter Maria Dreesen (Katharina Schüttler, 42, „Unsere Mütter, unsere Väter“) und Emils jüdische Großmutter Adelheid Dreesen (Nicole Heesters, 85, „Meschugge“) kämpfen dort um den Verbleib im Hotel.

Emil hat dasselbe Ziel, doch er schlägt andere, modernere Töne an. Er will sich mit den Franzosen arrangieren, ringt ihnen Zugeständnisse ab und so darf die Familie das Hotel vorerst weiterführen. Um neue Gäste zu gewinnen, setzt der 21-Jährige mit Unterstützung seiner jüngeren Schwester Ulla (Pauline Rénevier, 23, „Sisi“) und sehr zum Missfallen seiner Eltern auf die international ausgerichtete und freizügige Pop-Kultur und Unterhaltung der wilden und experimentellen 1920er Jahre. Rückendeckung bekommt Emil von seiner lebensfreudigen Großmutter und Hotelmitbegründerin. Als ersten echten Star lädt Emil den britischen Künstler Charlie Chaplin (1889-1977, „Der große Diktator“, 1940) ein.

Hintergrundgeschichten in der Dokumentation

Der taucht zwar erst später auf. Die Szenen, in denen der australische Schauspieler Stephen Multari als Chaplin die Brötchen von seinem Hotelzimmernachbarn Hitler (1889-1945) – verkörpert von dem Schweizer Schauspieler Max Gertsch (58) – stibitzt, um damit die legendäre Brötchen-Tanzszene aus seiner Stummfilmkomödie „Goldrausch“ (1825) zu erfinden, ist eines der Highlights des TV-Zweiteilers. In der anschließenden Dokumentation wird das sich hartnäckig haltende Gerücht, Chaplin und Hitler hätten damals Tür an Tür im Grand Hotel Dreesen gewohnt, ebenfalls thematisiert.

Gezeigt wird besagte Dokumentation nach den „Tagesthemen“ (23:15 Uhr). In „Rheinhotel Dreesen“ (ab 23:35 Uhr), so auch der heutige Name des Grandhotels, werden einige Andeutungen der beiden Filme historisch unterfüttert. Außerdem erfahren die Zuschauer, wie es dieser Tage um das Traditionshotel bestellt ist und wer es bald in fünfter Generation übernehmen wird.

Ein interessanter und wichtiger Themenabend

Insgesamt erwartet das TV-Publikum ein interessanter Abend, wenn man ein wenig darüber hinwegsieht, dass die meisten Figuren in den beiden Filmen eher etwas eindimensional gezeichnet sind und wenig bis keine Entwicklung durchlaufen, beziehungsweise wenig Raum dazubekommen. Daran ändert auch die zweifelsohne fabelhafte schauspielerische Darstellung nicht viel. Sogar die Liebesgeschichten mit Elsa Wahlen (Henriette Confurius, 31, „Tannbach – Schicksal eines Dorfes“) oder mit Claire Deltour (Deleila Piasko, 31, „Stasikomödie“) wirken verblüffend gefühllos – aber vielleicht war es nach den Schrecken des Ersten Weltkrieges auch so.

Nichts destotrotz nimmt die Geschichte vor allem im zweiten Film-Teil deutlich an Fahrt auf. Nicht wenige historische Aspekte verleiten zum Googeln und genau das ist der ganz große Pluspunkt dieses Themenabends. Denn nur wer die Geschichte kennt, kann dafür sorgen, dass sie sich nicht wiederholt. Und so kann das Fazit nur lauten: Die besondere Geschichte dieses Hotels mit der weißen Fassade in Bad Godesberg steht zurecht im Mittelpunkt eines abendfüllenden Programms und kann damit nicht vergessen werden.

Ganz am Schluss trifft einer der Protagonisten dann übrigens doch eine überraschende Entscheidung – und hier wünscht man sich eine Fortsetzung der Geschichte…

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