Das Leben als Millennial in einer deutschen Großstadt kann seine Tücken haben. Das erfahren auch die Hauptfiguren der neuen Dramedy-Serie „Damaged Goods“, die am 11. Juli auf Amazon Prime startet, am eigenen Leib. Die Clique bestehend aus Nola (Sophie Passmann), Mads (Tim Oliver Schultz), Hennie (Leonie Brill), Tia (Zeynep Bozbay) und Hugo (Antonije Stankovic) hat sich als Teenager in der Gruppentherapie kennengelernt. Seitdem bestreiten die Freunde gemeinsam das von Höhen und Tiefen geprägte Leben in München. Autorin Sophie Passmann (28) feiert mit der Serie ihr Schauspieldebüt. Im Doppelinterview verraten sie und Serienkollege Tim Oliver Schultz (33) der Nachrichtenagentur spot on news, was die Serie so besonders macht und welchen Rat sie ihrem jüngeren Selbst auf den Weg geben würden.
Serien über Freundesgruppen in den späten Zwanzigern gibt es ja bereits einige – man denke dabei etwa an „Friends“ oder „How I Met Your Mother“. Was macht „Damaged Goods“ anders als diese Serien?
Sophie Passmann: Sie haben bereits zwei Serien genannt, die in den Vereinigten Staaten spielen. Ich finde, es gibt viele Serien, die in Deutschland produziert werden, die eigentlich versuchen, ein US-amerikanisches Lebensbild zu kopieren. Da sind Kneipen, die ein bisschen wie in New York aussehen und man merkt, die Autoren haben ganz viele US-amerikanische Serien geguckt. „Damaged Goods“ macht das nicht und das finde ich toll.
Es ist eine Serie, die in Deutschland produziert ist, die mit deutschen Lebensthemen, Kulissen und auch mit deutschen Lebensphasen arbeitet. Natürlich ist es bei uns anders, weil wir nicht aufs College gehen und dann irgendwann Graduation haben. Es ist ein anderes Großwerden und somit andere Lebensthemen, andere Familienplanung, andere Erwartungen der Gesellschaft. „Damaged Goods“ möchte genau diese Lebensthemen für einen deutschsprachigen Raum erzählen.
Tim Oliver Schultz: Dabei beschönigt es auch nichts. Bei „How I Met Your Mother“ oder „Friends“ bekommt man die schöne oberflächliche Welt gezeigt. Dann weint vielleicht mal jemand, weil sie keinen Kerl findet oder so – da geht es bei „Damaged Goods“ eigentlich erst los. Es geht wirklich um die Probleme, die wir haben: Seien es depressive Phasen, Überforderung oder der Überfluss an Möglichkeiten, die unsere Generation hat. Die Komik entsteht genau in dieser Überforderung.
Können Sie dieses Gefühl der Millennial-Generation nachvollziehen?
Schultz: Ja. Ich kann mich sogar noch genau erinnern, wie ich bei unserer ersten Leseprobe ebenfalls überfordert war mit so vielen Sachen und Begriffen. Die Serie behandelt Themen, mit denen ich mich zuvor nicht beschäftigt hatte. Das war das erste Mal für mich, dass die auf den Tisch gebracht und von Menschen zu einem Projekt gemacht wurden, die selbst in diesen Szenen sind.
Inwiefern zeigt sich das in der Serie?
Passmann: Das Tolle an dem Drehbuch ist, dass es sich bei gewissen lebensweltlichen Themen – gerade, wenn es um Queerness und Outing geht – sehr klar positioniert. Aber dadurch, dass der Autorenraum so queer und divers ist, werden die Themen mit einer Leichtigkeit behandelt, die man sich, glaube ich, nur rausnehmen kann, wenn man selbst Teil der Community ist.
Wenn ein weißer, heterosexueller Mann auf einmal eine queere Figur schreiben muss, dann fällt es ihm natürlich schwerer, gute, geschmackvolle Witze darüber zu machen. Wenn man aber selbst in dieser Lebenswelt ist, kann man sich ganz andere Witze und Nuancen rausnehmen. Das finde ich ein Riesengeschenk, dass man immer wieder merkt, in diesem Autorenraum gab es keine Berührungsangst mit einem gewissen Humor.
Ich glaube, wir brauchen diese Art von Humor dringend, wenn wir wirklich diverse Geschichten erzählen wollen. Denn was ich nicht mehr sehen kann, sind diese pädagogisch wertvollen Serien, die uns eigentlich zeigen wollen: Wir sind alle nur Menschen. Ja, das wissen wir ja! Aber man sollte zeigen, dass genau die Menschen, die zu diesen Communitys gehören, genauso lappige Menschen sind wie jeder andere auch. Das macht die Serie sehr gut: die Menschlichkeit hinter den Etiketten zu zeigen.
Frau Passmann, Sie haben auf Instagram geschrieben, dass ein Highlight der Dreharbeiten für Sie die Zusammenarbeit mit Christian Tramitz war. War es einschüchternd für Sie, gleich bei Ihrer ersten Rolle mit einem Idol zu drehen?
Passmann: Ja, auf jeden Fall. Ich habe zwei Tage vor der Szene davon erfahren, dass ich mit ihm drehe. Und da habe ich vor Einschüchterung angefangen zu weinen.
Schultz: Wusstest du das davor wirklich nicht?
Passmann: Nein, ich wusste von nichts! Ich habe geweint, weil er zu dieser Generation Comedians gehört, die ich mir angeschaut habe, als ich entschieden habe, dass ich hauptberuflich witzig sein möchte. Ich würde auch einen Schlaganfall bekommen, wenn ich Anke Engelke treffen würde. Das sind meine Idole. Ich war an keinem Drehtag so aufgeregt wie am Tag mit Christian Tramitz. Da war mein einziges Ziel, dass er am Ende des Tages meinen Namen kennt.
Und denken Sie, das hat funktioniert?
Passmann: Er spielt in der ersten Folge meinen Professor, der mich von der Uni schmeißt. Wir hatten glücklicherweise die Zeit, uns ein bisschen miteinander warmzuspielen. Und ich denke, er hat gemerkt, dass er mir etwas zuwerfen und ich damit humoristisch umgehen kann. Das war wirklich das Highlight meiner Karriere. Denn das ist es, was man möchte, wenn man meinen Job macht.
In der Serie geht es um mentale Gesundheit und den Übergang vom kindlichen zum erwachsenen „Ich“. Wenn Sie die Möglichkeit hätten, was würden Sie Ihrem früheren „Ich“ gerne mit auf den Weg geben?
Passmann: Ich liebe die Frage, denn das ist für mich ein elementarer Teil von echtem Erwachsenwerden. Der Moment, wenn man seine Kindheitsthemen loslässt und nicht mehr in stressigen Situationen aus dem inneren Kind heraus reagiert, sondern eine erwachsene Person ist. Ich glaube, im Kern möchte jeder seinem Kind sagen: Es wird erst einmal schlechter, aber dann wird es besser. Denn ich stehe nun hier, das ist der Beweis. Ich würde ihm gar keinen Ratschlag geben, sondern sagen: Mach‘ so, wie du denkst. Das wird zwar scheiße, aber ich hole dich aus der Scheiße wieder raus.
Schultz: Zusammengefasst: You know nothing, Jon Snow (lacht). Du weißt wirklich gar nichts. Ich erinnere mich, wie oft ich als Kind Dinge gedacht habe wie: „Religion habe ich jetzt verstanden.“ Und später habe ich gemerkt, dass ich gar nichts verstanden hatte, aber war überzeugt, dass ich es jetzt habe. Ein paar Jahre später kam mir dann: „Tim, du weißt immer noch nichts.“ Das würde ich auch dem jüngeren Tim mitgeben: Du weißt überhaupt nichts. Es wird schlechter, es wird besser. Aber entspann‘ dich, es wird schon alles okay.