Dass Olli Dittrich seinen 65. Geburtstag mit viel Pomp feiert, ist nicht anzunehmen. Der am 20. November 1956 im hessischen Offenbach geborene Künstler hat schon seinen 60. Geburtstag „geräuschlos“ gefeiert. Dafür liegt die Annahme nah, dass sich der glühende Verehrer von Udo Jürgens (1934-2014) auf seinen 66. Geburtstag freut – denn da fängt das Leben ja bekanntlich erst richtig an. Über Schöpfer und Schaffen eines Stücks deutscher Comedy-Kultur.
Als Oliver Michael Dittrich mit seinen Eltern Kurt und Gisela als Dreijähriger nach Hamburg zog, wurde er „nach Hause gebracht“, wie er es später beschreiben sollte. Dort parodierte er schon als kleines Kind Personen des öffentlichen Lebens. Für seine Großmutter habe er Bundespräsident Heinrich Lübke (1894-1972) nachgeahmt: „Ohne zu wissen, wer Heinrich Lübke ist. Aber ich hatte das dann mal irgendwo gehört, dass der so einen lustigen Sauerländer Dialekt hat.“
Von der Kleinkunst überleben? „Wir haben 150 Shows im Jahr gespielt“
Während der für Dittrich quälenden Schulzeit lernte er Gitarre- und Schlagzeugspielen und tingelte schon als 16-Jähriger über die Hamburger Kleinkunstbühnen, außerdem spielte er Fußball. „Fußball-Star wollte ich werden“, erzählte Dittrich 2012 in der WDR-Sendung „Zimmer frei“, „Ich war nur damals bei den Auswärtsniederlagen unseres Vereins TuS Alstertal immer der Lustigste auf der Rückfahrt und da war dann doch eher klar, ich sollte eher ins Humorfach wechseln als Fußball-Profi zu werden. Mein großer Held war Uwe Seeler.“
In besagtem „Humorfach“ musste Dittrich sich allerdings von weit unten hocharbeiten. Erfolg für seine Kleinkunst blieb ihm verwehrt, in der Arbeitslosigkeit der späten 1980er-Jahre hielt er sich damit über Wasser, für andere Lieder zu schreiben. Etwa 250 Songs komponierte er während dieser Zeit, unter anderem für James Last (1929-2015) und Die Prinzen (seit 1987). 1989 spielte er unter dem Künstlernamen TIM sein erstes eigenes Album ein. Die Scheibe verkaufte sich lediglich 300 Mal. Um Geld zu verdienen, heuerte er bei Hamburger Schlagerbands an: „Mit Oldie-Bands über Land, 150 Shows im Jahr gespielt. Zum Tanz aufgespielt, in Bierzelten, auf Schiffen gespielt. All so was hatte ich ja hinter mir“, blickt Dittrich auf diese Zeit zurück. Nebenbei entwickelte er die spätere Kultfigur Dittsche: „Als Hörspiele, die ich auf meinem Anrufbeantworter versendet habe Ende der 1980er-Jahre.“
Wendepunkt Wigald
Vieles sollte sich für Olli Dittrich durch die Bekanntschaft mit Wigald Boning (54) ändern. Der hatte Anfang der 1990er-Jahre auf dem Pay-TV-Sender Premiere die tägliche Kolumne „Wigalds Bonbons“. Mehr als 100 Episoden drehte das Duo gemeinsam, 1992 veröffentlichte es als „Wigald Boning und Die Doofen“ das erste gemeinsame Album „Langspielplatte“ – mit überschaubarem Erfolg. Im gleichen Jahr hatte Dittrich als Dittsche seine Bühnenpremiere im neu gegründeten Hamburger Quatsch Comedy Club: „Da hatte Thomas Hermanns im Quatsch Comedy Club, auch damals alles ohne Fernsehen, ohne den Begriff Comedy im Fernsehen, mir dann eine Möglichkeit gegeben, auf der Bühne diese Figur zu spielen“, erinnert sich Dittrich.
Deutschlandweit wurde Dittrich als Teil des „RTL Samstag Nacht“-Ensembles berühmt. Über sein von Heino Jaeger (1938-1997) inspiriertes Format „Neues vom Spocht“ und die Interview-Satire „Zwei Stühle, eine Meinung“ mit Boning lachte die Nation. 1995 erhielten Dittrich und Boning einen Grimme-Preis für ihre Interview-Persiflagen, in denen Dittrich prominente Personen wie Michael Schumacher (52), Boris Becker (53) oder Beate Uhse (1919-2001) verkörperte und mehrere Kunstfiguren neu erschuf.
Plötzlich am Ziel
Ebenfalls 1995 wagten Dittrich und Boning als „Die Doofen“ einen zweiten Anlauf, mit dem Erfolg des Albums „Lieder, die die Welt nicht braucht“ und der Single-Auskopplung „Mief“ war vorab kaum zu rechnen. Das Album erreichte die Spitze der deutschen Charts, plötzlich wurde das Duo als Vorband der Stadiontournee von Jon Bon Jovi (59) gebucht. Wenn Dittrich über diese Zeit spricht, leuchten seine Augen: „Man kommt raus und ruft: Seid ihr alle doof?!‘ Und 70.000 Hardrock-Fans: ‚Ja!‘ Das ist natürlich super.“ 1996 erschien mit „Melodien für Melonen“ das zweite Album, in Deutschland, Österreich und der Schweiz verkauften „Die Doofen“ etwa 1,5 Millionen Platten. Dafür hagelte es Preise, darunter einen Bambi, den Echo und die Goldene Stimmgabel. Dittrich war in die Beletage des „Humorfachs“ aufgestiegen.
1998 endete die „RTL Samstag Nacht“-Ära, für Dittrich ging es in die Königsklasse des deutschen Unterhaltungsgeschäfts: Bis 2001 moderierte er die Außenwette bei „Wetten, dass ..?“ (ZDF) mit Thomas Gottschalk (71), ehe er sich in den 2000er-Jahren wieder ganz der Comedy zuwandte. Allerdings waren weder „Olli, Tiere, Sensationen“, noch „Blind Date“ mit Anke Engelke (55), beides lief im ZDF, besonders erfolgreich. Erst als der WDR dem Impro-Format „Dittsche – Das wirklich wahre Leben“ eine Chance gab, hatte der Tausendsassa seine eigene TV-Nische gefunden. Und in der hat er es sich „schön muggelig“ eingerichtet. Seit 2004 ist „Dittsche“ auf Sendung, 2021 lieferte Olli Dittrich an der Seite von Jon Flemming Olsen (56) die 30. Staffel der Kultserie.
Dittrich – Der wirklich wahre Erfolg
Weil Dittrich allerdings dem Motto „Das wäre ja auch noch schöner, immer nur das Gleiche zu machen“ treu blieb, schlüpfte er in immer neue Rollen, auch der Musik hielt er die Treue. Ab 2005 saß er bei Jon Flemming Olsens Band Texas Lightning am Schlagzeug, 2006 vertrat die Band mit der Platin-Single „No No Never“ vom Album „Meanwhile, Back at the Ranch“ Deutschland beim Eurovision Songcontest in Athen. Ebenfalls 2006 war er für seine legendäre Franz-Beckenbauer-Parodie in „Was tun, Herr Beckenbauer?“, die in der „Harald Schmidt Show“ ausgestrahlt wurde, erneut für den Grimme-Preis nominiert.
Zwischen 2003 und 2011 trat Dittrich außerdem regelmäßig in der Improvisations-Comedyshow „Genial daneben“ von Sat.1 auf. Anfang 2011 veröffentlichte Dittrich seine Bestseller-Autobiografie „Das wirklich wahre Leben“, für die Deutschlands Humor-Übervater Loriot (1923-2011) wenige Monate vor seinem Tod das Vorwort verfasste: „Über 80 Jahre hat es gedauert, bis ich Olli Dittrich zum ersten Mal gegenübersaß. Das war reichlich spät, aber eine erstaunliche Erfahrung. Ich habe jemanden kennengelernt, dessen Ideen mich entzücken, zumal sie sich scheinbar leichter Hand, gewissermaßen zwanglos in jenen Dialogen wiederfinden, um die ich mich bis heute mühe.“
Humor mit Finesse – Olli Dittrich erfindet sich neu und hat Spaß daran
Mit einem solchem Lob im Gepäck, bemüht sich Olli Dittrich seit Anfang der 2010er-Jahre um weniger platten Quatsch und mehr Tiefgang. Für seine Darbietung im ARD-Fernsehfilm „Carl & Bertha“ an der Seite von Katja Riemann (58) war er 2011 für den deutschen Schauspielpreis nominiert.
Seit 2013 produziert Dittrich für die ARD regelmäßig Persiflagen auf deutsche TV-Genres und Mockumentaries, zuletzt wurde er im Dezember 2020 von Günther Jauch (65) in „House of Trumps – Peter, ein deutsches Geheimnis“ interviewt: „Das war eine tolle Arbeit“, sagt Dittrich über seine Rolle als Donald Trumps (75) angeblich vergessener Bruder Peter.
Dem „Menschendarsteller“, wie Dittrich sich selbst bezeichnet, geht der Stoff so schnell also nicht aus – vielleicht beschenkt er sich nächstes Jahr zum 66. Geburtstag mit einer flapsigen Udo-Jürgens-Parodie, denn Dittrich hat noch ein Motto: „Die besten Sachen entwickeln sich ja immer genau in dem Moment, wo man sie ganz unabsichtlich und mit größtmöglichem Spaß verfolgt.“